Heretoir
Kein Bock auf Nazis!

Interview

Wir sprachen mit Schlagzeuger Nils Groth über das neue HERETOIR-Album „The Circle“, über NSBM-Bands und Europatourneen.

I. Das aktuelle Album – „The Circle“

Ich sehe eine starke musikalische Entwicklung im Vergleich zum ersten Album bzw. den anderen Veröffentlichungen. Wie beurteilt ihr dies, und seht ihr selbst auch eine Entwicklung?

Nils: Ich denke, jeder von uns sieht eine Entwicklung. Wenn Du „The Circle“ mit dem Erstlingswerk oder sogar der Demo vergleichst, fällt schnell auf, dass sich die Musik deutlich verändert hat. Wir alle sind natürlich jederzeit Einflüssen ausgesetzt, und es wäre gelogen zu sagen, dass uns diese nicht auch inspirieren. Das neue Album hat moderne Passagen wie z. B. bei „The White“, aber auch sehr ruhige, fast schon poppige Momente wie bei „Golden Dust“. Ich denke, diese Art der Songs wären auf den ersten Veröffentlichungen eher nicht anzutreffen gewesen.

Eine bedeutsame Veränderung ist aber natürlich Davids Gesang, der sich meines Erachtens nach extrem zum Positiven weiterentwickelt hat. Er ist vor allem in den cleanen Passagen sicherer und variabler geworden. Natürlich steht aber der Postrock/ Black Metal Mix immer noch im Fokus, und ich finde, das hört man auch. Auch wenn die Songs zum Teil in eine andere Richtung gehen, so haben sie doch immer noch diese starke melancholische Note.

Das aktuelle Album wurde nicht durch dich, sondern durch Tobias Schuler eingetrommelt. Zukünftig wirst du diesen Posten belegen. Wie kam es zum Wechsel?

Nils: Die Band musste sich letztes Jahr aus persönlichen Gründen vom alten Schlagzeuger Belial trennen. Ich habe ja bereits vor einigen Jahren die „Substanz“, das Re-Recording der Demo eingespielt. Wir sind also schon seit einigen Jahren in Kontakt, und da ich bei KING APATHY [ehem. THRÄNENKIND] singe, lag es nahe, dass ich auch als Drummer bei HERETOIR einsteigen könnte. Zu der Zeit der Aufnahmen hatte ich allerdings noch eine letzte Show mit meiner alten Band OPHIS, wodurch es für mich nicht möglich war, bereits im Studio zu spielen.

Könnt ihr etwas zur Zusammenarbeit mit dem Künstler Fursy Teyssier erzählen, der das aktuelle Artwork beigesteuert hat?

Nils: Fursy hat ja bereits das Artwork zur ersten Platte „Heretoir“ gezeichnet. Es besteht also schon seit einigen Jahren ein guter Kontakt mit ihm. Da wir alle seine Arbeit sehr schätzen, waren wir uns schnell einig, dass auch er das Artwork zu „The Circle“ machen sollte. David hatte schon ein ziemlich konkretes Konzept im Kopf, das Fursy wahnsinnig gut umsetzen konnte. Das Artwork spiegelt die Themen des Albums wider und passt farblich sehr gut zu den wärmeren Klängen des Albums, was den Bezug zur Sonne noch einmal unterstreicht.

Welche inhaltlichen und lyrischen Einflüsse sind auf dem Album verarbeitet worden?

Nils: Wie der Titel des Albums erahnen lässt, dreht es sich bei dem Album um Kreisläufe. Das Leben ist durchflossen von Kreisläufen. Lebewesen werden geboren, leben, sterben und werden zu Erde. Aus der Erde erwachsen Pflanzen, die wieder Lebewesen als Nahrung dienen. Nicht nur die Existenz von Lebewesen ist von Kreisläufen definiert, sondern auch die Jahres- oder Tageszeiten. Die meisten Dinge vergehen irgendwann und neue kommen hinzu. Ich persönliche glaube zwar nicht an eine Wiedergeburt oder an das Leben nach dem Tod, aber es gibt da innerhalb der Band definitiv unterschiedliche Positionen.

Keine 08/15-Band – HERETOIR

II. HERETOIR im Spiegel der Szene

Ihr werdet oft mit Bands wie ALCEST oder AMESOEURS aus Frankreich verglichen. Euer Bandname enthält französische Elemente. Wie stark schätzt ihr diese Inspiration französischer Bands ein, und wie würdet ihr eure Einflüsse allgemein beschreiben?

Nils: Ich würde das jetzt nicht auf eine nationale Zugehörigkeit schieben. Natürlich haben ALCEST einen großen Einfluss auf uns und einen großen Teil der Szene gehabt. Ich denke, das hört man bei HERETOIR auch heraus. „Souvenirs d’un autre monde“ hat mich damals wirklich unheimlich beeindruckt und abgeholt. Allerdings glaube ich nicht, dass jetzt besonders viele französische Bands einen solch großen Einfluss hatten wie ALCEST. Und eigentlich sind die erfolgreicheren Bands dieser Szene ja auch zu großen Teilen aus Neiges Umfeld. Daher ist es auch verständlich, dass da viele Bands eine ähnliche Art des Musikmachens an den Tag legen (was nicht negativ gemeint ist).

Unsere musikalischen Einflüsse innerhalb der Band sind sehr breit gefächert und in verschiedensten Musikrichtungen angesiedelt – da geht es von Post Rock, über Doom, Metal, Punk und Hardcore bis hin zu Bands wie ARCHITECTS oder gar COLDPLAY, die David sehr schätzt. Das „toir“ im Bandnamen ist vor allem aufgrund des Alleinstellungsmerkmals und der schöneren Klangfarbe des Französischen eingeführt worden.

Fühlt ihr euch einer bestimmten Szene oder Genreklassifizierung verbunden? Seht ihr euch z. B. selbst als Post-Black-Metal-Band?

Nils: Ha, da hast Du mit mir den Richtigen. Nee, also ich weiß, dass gewisse Genrebezeichnungen durchaus sinnvoll sind und Menschen scheinbar immer eine gewisse Orientierung brauchen. Allerdings bin ich persönlich kein Fan von solch starren Kategorien. Wenn ich uns allerdings in gängige Schubladen packen soll, würde ich sagen, dass wir im weitesten Sinne Post Metal machen. Natürlich hört man bei HERETOIR die Black-Metal-Passagen noch raus, allerdings ist die Musik ja deutlich offener und progressiver, als es Black Metal ist.

Auf eurem Facebook-Profil positioniert ihr euch bewusst politisch: „Fuck racism and fascism – fuck NSBM!“ Warum seht ihr diese Abgrenzung als notwendig an? Würdet ihr HERETOIR oder euch selbst in ein politisches Spektrum einordnen wollen oder können?

Nils: Ich wäre dankbar, wenn eine solche Abgrenzung nicht notwendig wäre. Ein großer Teil der Black Metal (leider auch der Metal Szene allgemein) scheint auf dem rechten Auge blind zu sein. Gerade in den letzten Jahren versuchen vermehrt bekannte NSBM-Bands in den Metal-Mainstream zu gelangen. Da spielen z. B. bekannte Finnen oder die aus der Ukraine auf Festivals, und haufenweise Bands interessiert es nicht, dass sie dort mit bekennenden Neonazis auftreten. Eine Egal-Haltung sehe ich als problematisch an, da sie immer den Tätern hilft. Wenn sich eine Handvoll Bands an die Veranstalter/innen wenden und sagen: „wenn ihr Nazis spielen lasst, sind wir weg“, werden diese es sich überlegen, ob es sich rentiert, eine Naziband spielen zu lassen.

Große Metal Magazine haben Features mit Bands, die auf Labels von Nazimusikern sind, und niemanden interessiert es. Gerade in Zeiten, in denen rechte Positionen und Rassismus immer gesellschaftsfähiger werden, ist es die Aufgabe von Bands oder Künstler/innen, sich zu positionieren und klar zu machen, dass sowas keinen Platz in einer offenen Gesellschaft haben kann. Seit einigen Jahren versuchen vermehrt rechte Ideolog/innen und Verschwörungstheoretiker/innen politische Klassifikationen aufzulösen. Dies geschieht unter dem Mantel des Friedens, bedeutet aber nur, ihre Positionen an möglichst viele Menschen zu bringen und zum Teil klassisch linke Positionen mit rechtem Gedankengut neu zu belegen.

Natürlich sind politische Themen zum Teil kompliziert, aber das nimmt nicht eine gewisse Verantwortung von unseren Schultern. Die Band HERETOIR ist keine politische Institution oder verbreitet politische Texte und Messages in der Musik. Aber wir sind alle politische Menschen (was auf jeden Menschen zutrifft) und entgegen der billigen Argumentation vieler (NS)BM Fans, trennen wir uns nicht von der Band ab. Wir sind alle klar Menschen, die Faschismus und rechtes Gedankengut ablehnen – das überträgt sich entsprechend auch auf die Band. Für mich zieht das Argument „aber er zählt doch nur die Musik“ nicht. XY ist ein Mörder, Rassist und Antisemit? Damit ist Band Z für mich eine Naziband – ganz einfach.

Auf der Bühne zu Hause – HERETOIR

III. HERETOIR auf der Bühne

Danke für deine ausführliche Stellungnahme zu diesem Thema. Kommen wir noch zu erfreulicheren Punkten – wird es eine Tour zum Support des neuen Albums geben?

Nils: Ja, die wird es geben! Wir werden von Mitte Mai bis Ende Juni 2017 mit den befreundeten GHOST BATH aus den USA sowie KING APATHY auf eine ausgedehnte Europatour gehen! Wir sind sehr glücklich darüber, dass sie uns für diese Tour angefragt haben und wir in einigen Teilen Europas spielen werden, in die wir es bisher noch nicht geschafft hatten. Die genauen Tourdates findet man auf unserer Facebook-Seite – wir freuen uns sehr auf bekannte und neue Gesichter!

Das klingt ja sehr enthusiastisch. Seht ihr euch denn in diesem Kontext eher als Live- oder Studioband?

Nils: Ganz klar als Liveband. Ich liebe es, Platten aufzunehmen und langsam zu hören, wie die Idee nach und nach Form annimmt. Aber auf Tour zu sein, die Songs einem Publikum zu präsentieren und verschiedene Städte, Länder und Menschen kennenzulernen ist das, was mich und auch den Rest der Band wirklich erfüllt.

Quelle: Nils Groth (Drums)
25.03.2017

Stellv. Chefredakteur

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