Gràb
Ich sehne den Tod schon lange herbei

Interview

Vielerorts wurde das Debütalbum von GRÀB als deutsches Black-Metal-Album des Jahres gesehen. Dabei erschien „Zeitlang“ fast wie aus dem Nichts. Wir haben mit Grànt gesprochen und bringen Licht ins Dunkeln.

Zunächst einmal, jenseits des üblichen Promo-Krams, wirklich ernstgemeinte Glückwünsche zu eurem Debütalbum „Zeitlang“. Die Platte ist in der Tat das Beste, was ich in den letzten Jahren in Richtung Black Metal aus Deutschland wahrgenommen habe. Die Reaktionen auf das Album waren vermutlich insgesamt sehr positiv, oder?

Ja, die Reaktionen waren sehr gut. Die Vinyl-Erstpressung mit einer Auflage von 500 Stück war innerhalb von vier Wochen ausverkauft. Und auch die CD verkauft sich gut, soweit ich das mitbekommen habe. In Anbetracht der Tatsache, dass es unser erstes Album ist, wir nie ein Konzert gespielt haben und uns somit faktisch vorher niemand kannte, ist das wohl beachtlich. Noch dazu, wo wir eben kein riesiges Major-Label wie Napalm und Co. im Rücken haben, wo sich jeder noch so große Mist mittlerweile gut verkauft. Wir haben mit Trollmusic ein sehr kleines Label, das im Rahmen seiner Möglichkeiten außergewöhnliche und vor allem authentische Arbeit für uns leistet. Solche Werte sind uns wichtiger, als ein Platz in den Spotify-Charts oder sonstigen künstlichen Hype-Listen.

Überall konnte man von Vergleichen zwischen GRÀB und LUNAR AURORA lesen. Ein Leser von metal.de hat das Artwork von Benjamin König sogar als bewussten Fingerzeig verstanden. Mich persönlich haben diese Vergleiche eher genervt, weil diese meines Erachtens nach viel zu kurz greifen. Wie steht ihr zu diesen Vergleichen?

Ursprünglich war ja sogar angedacht, dass Whyrhd bei dem Song „Nachtkrapp“ noch ein paar Zeilen Gastgesang beisteuert. Das zerschlug sich dann aber kurz vor den Aufnahmen. Wäre das zustande gekommen, dann hätte man uns wahrscheinlich endgültig als LUNAR AURORA 2.0 abgestempelt. An sich ehrt mich der Vergleich natürlich, weil LUNAR AURORA nun mal eine in allen Belangen herausragende Band waren. Aber es ist natürlich völliger Blödsinn, dass wir Benjamin König das Artwork deshalb zeichnen haben lassen, um mit LUNAR AURORA verglichen zu werden.

Wenn ich Gastmusiker oder Künstler generell für eines meiner Projekte suche, dann nur unter dem Aspekt, dass sie dieses Projekt auf ihre ganz eigene Art bereichern. Auf eine Art, wie ich es eben nicht könnte. „Zeitlang“ ist ein bayerisches Konzeptalbum. Was würde da besser passen, als der nostalgische Zeichenstil eines renommierten bayerischen Künstlers, der nicht nur mit dem Konzept, sondern auch mit Black Metal bestens vertraut ist? Natürlich haben LUNAR AURORA bereits mit dem Song „A haudiga Fluag“ und dann endgültig mit „Hoagascht“ den Weg zu Black Metal in bairischer Mundart bereitet. Ich finde aber nicht, dass man GRÀB wirklich mit LUNAR AURORA vergleichen kann. Musikalisch gibt es da schon deutliche Unterschiede und auch lyrisch habe ich ihren Faden höchstens aufgegriffen und auf meine ganz eigene Art weitergesponnen.

Wie lange spuken die Melodien und Ideen von „Zeitlang“ eigentlich schon durch eure Köpfe? Dies ist doch sicherlich kein Album, welches „zwischen Suppe und Kartoffeln“ komponiert wurde, richtig?

Zunächst entstanden erstmal nur die Texte. Damit habe ich 2013 begonnen und zu dem Zeitpunkt, wusste ich noch nicht einmal, ob ich die Texte überhaupt für eine Band verwende. Ich hatte die Texte damals erstmal nur für mich geschrieben. 2015 war ich dann an einem Punkt, an dem ich von dem lyrischen Konzept derart überzeugt war, dass ich geeignete Musiker für dieses Projekt gesucht habe. Letztlich wurde ich dann bei Grain fündig. Er hat das musikalische Fundament für GRÀB im Alleingang geschaffen. In herausragender Manier, wie ich finde. Aber schon damals war meine Idee, dass ich nicht nur Black Metal, der an die guten alten 90er Jahre erinnert, machen möchte, sondern dass wir daraus in Verbindung mit traditionellen volkstümlichen Instrumenten wie Hackbrett, Zither und Alphorn unser eigenes Gemisch machen. Das hat seine Zeit gebraucht, aber die war es auch wert.

Omnipräsent auf „Zeitlang“, ein Album welches ich als Konzeptalbum verstanden habe, sind Tod und Vergänglichkeit. Kannst du diesen konzeptionellen Ansatz des Albums etwas ausführen und auch deine/eure persönliche Sicht auf die Inhalte des Albums erläutern?

Wie gesagt, stammen all die bairischen Gedichte auf dem Album aus meiner Feder. Daher handelt es sich um meine ganz persönliche Sicht auf das Leben und den Tod. Die Essenz des Lebens ist für mich der Tod. Die Kunst besteht darin, das Sterben zu erlernen bevor du stirbst. Ich fürchte den Tod nicht. Ich sehne ihn schon lange herbei. So entstand auch die Idee für das Konzept zu „Zeitlang“, was ja ein altbairisches Wort für „Sehnsucht“ ist. Die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit von der menschlichen „Zivilisation“, die Sehnsucht nach etwas, das größer ist als das Leben: Die Magie der Jahreszeiten in der Natur und letztlich auch der Tod. Oberflächlich betrachtet, habe ich all das in die Geschichte über einen alten Mann gepackt. Ein Mann, der sich längst von der Gesellschaft isoliert hat und der zurückgezogen allein in einer Hütte irgendwo in den Bergen in Bayern lebt. Kurz vor seinem Tod blickt er auf sein Leben und seine Gefühlswelten zurück. Und genau das ist die Reise, die er auf „Zeitlang“ durchlebt. Allerdings ist die Figur dieses Mannes bei genauerer Betrachtung nur eine Metapher, weil ich in der Geschichte tatsächlich größtenteils mein eigenes Leben und meine eigenen Empfindungen beschreibe. Das macht es am Ende auch so authentisch, wie ich finde.

Daran angeschlossen die Frage, warum und wie im Jahr 2021 ein, ich möchte fast überspitzt sagen, nostalgisches und rückwärtsgewandtes Album wie „Zeitlang“ überhaupt entstehen kann?

Ich habe ja bereits 2013 damit begonnen, die Texte dafür zu schreiben. Schon damals hatte ich das Gefühl, nichts mehr mit dem Rest der Menschheit gemein zu haben. Umso stärker war in mir das Verlangen, diese Gedanken und Gefühle auf Papier zu bringen. Damals hätte aber noch nicht einmal ich selbst gedacht, dass dieses anti-humane Gefühl noch ausgeprägter werden könnte. Doch dann kam Corona. Und dadurch bin ich mittlerweile an einem Punkt, an dem ich mich stärker denn je von allem Gesellschaftlichen und Menschlichen losgesagt habe. Und auch musikalisch lag es für mich auf der Hand, einen anderen Weg zu gehen. Ich bin Nostalgiker. Ja, ich bezeichne mich sogar selbst als Ewiggestriger. Ein Begriff, der in der Gesellschaft so negativ behaftet ist. Für mich ist er das jedoch nicht. Ich habe musikalisch nicht den Anspruch, das Rad komplett neu zu erfinden. Was einst war, ist für mich Perfektion. Und warum sollte ich etwas wie den Black Metal, der in den 90er Jahren perfekt war, zerstören und neu definieren wollen? Das ist nichts für mich. Von daher war meine Vision von GRÀB von Beginn an, musikalisch einige der besten Momente des 90er Jahre Black Metal aufzugreifen und diese mit etwas Ursprünglichem und traditionell Bayerischem zu bereichern. Dadurch entstand unsere eigene Hommage an bessere Zeiten.

Auf „Zeitlang“ befindet sich ein von Schwadorf komponiertes und eingespieltes Stück. Wurde dieses im Rahmen der Aufnahme von „Zeitlang“ eingefügt oder war der Song schon vorher vorhanden?

Schwadorf hat dieses Stück eigens für GRÀB komponiert, eingespielt und aufgenommen. Ich kenne und schätze ihn schon lange als Menschen, Musiker und Künstler. Ich wusste, dass auch er ein großer Fan der Ambient-Stücke von BURZUM oder DEAD CAN DANCE ist. Genau so ein Stück schwebte mir bei „Auf da Roas“ vor – nur eben eine bayerische Interpretation davon. Da kam es wie gerufen, dass er sich ein Hackbrett zugelegt hatte, das er mittlerweile auch bei EMPYRIUM und SUN OF THE SLEEPLESS einsetzt. Mit „Auf da Roas“ hat er wahrlich ein Stück Magie komponiert, das sich insbesondere an der Stelle des Albums perfekt einfügt.

„Zeitlang“ hat verschiedenste Bezüge zu anderen bekannten Akteuren der Metal-Szene in Deutschland, einige sind auch bereits in den Fragen angeklungen. Würdet ihr euch selbst (persönlich und insbesondere heuer) als Mitglieder einer Szene beschreiben und falls ja, wie nehmt ihr diese Szene heutzutage war?

Ich sehe mich schon lange nicht mehr als Bestandteil irgendeiner Szene. Die Black Metal-Szene der 90er Jahre ist längst tot, der Black Metal in seiner ursprünglichen Form durch den Mainstream ausgeschlachtet. Mittlerweile ist dieses „Szene“ (so sie denn diese Bezeichnung überhaupt noch verdient) übersät von Leuten, die nur noch die Musik „ganz gut finden“, aber die Ideologie dahinter verachten. Black Metal war einmal grenzenlose Rebellion, was damals nicht nur in extreme Texte und abgewandte Produktionen (Stichwort „Necro-Sound“) gipfelte, sondern auch in diverse Straftaten. Black Metal war seit jeher mehr als nur Musik. Die darin involvierten Leute waren damals buchstäblich Feuer und Flamme dafür. Davon ist heutzutage nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Die heutige Black Metal-„Szene“ hat sich ausgerechnet den moralischen „Werten“ der Gesellschaft angepasst und untergeordnet, die man früher verachtet hat. Dementsprechend besteht auch diese „Szene“ nur noch aus Rechtfertigungen und Entschuldigungen.

Ist GRÀB aus eurer Sicht eigentlich eher Band oder Projekt? Können wir langfristig mit weiteren Alben rechnen? Wäre GRÀB, jetzt mal unabhängig von der aktuellen Situation, auch für die Bühne ein Thema?

Unter einer Band verstehe ich ein komplettes Line-Up, mit dem man regelmäßig probt. Das hatte ich seit DARK FORTRESS nicht mehr. Von daher sind all meine musikalischen Aktivitäten seither für mich Projekte. Wie es mit GRÀB weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Ich habe einige vage Visionen, die aber jetzt noch nicht spruchreif sind. Konzerte hatten für mich schon vor Corona ihren Reiz verloren. Ich hatte damals mit DARK FORTRESS jede Menge Konzerte und an einem gewissen Punkt hatte ich das Gefühl, dass ich da alles schon gesehen habe und es mir nichts mehr gibt. Bei GRÀB käme nun noch die Frage der Umsetzbarkeit dazu. Wir bräuchten dazu erstmal ein entsprechendes Line-Up, dann müssten wir uns monatelang vorbereiten können. Und selbst wenn das alles passen sollte, würde ich kein Konzert geben, solange man dafür einen von Politik und Medien künstlich konstruierten Passierschein braucht.

Quelle: Interview mit Grànt, Dezember 2021
30.12.2021

Stellv. Chefredakteur

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