Gràb
Ich sehne den Tod schon lange herbei

Interview

Daran angeschlossen die Frage, warum und wie im Jahr 2021 ein, ich möchte fast überspitzt sagen, nostalgisches und rückwärtsgewandtes Album wie „Zeitlang“ überhaupt entstehen kann?

Ich habe ja bereits 2013 damit begonnen, die Texte dafür zu schreiben. Schon damals hatte ich das Gefühl, nichts mehr mit dem Rest der Menschheit gemein zu haben. Umso stärker war in mir das Verlangen, diese Gedanken und Gefühle auf Papier zu bringen. Damals hätte aber noch nicht einmal ich selbst gedacht, dass dieses anti-humane Gefühl noch ausgeprägter werden könnte. Doch dann kam Corona. Und dadurch bin ich mittlerweile an einem Punkt, an dem ich mich stärker denn je von allem Gesellschaftlichen und Menschlichen losgesagt habe. Und auch musikalisch lag es für mich auf der Hand, einen anderen Weg zu gehen. Ich bin Nostalgiker. Ja, ich bezeichne mich sogar selbst als Ewiggestriger. Ein Begriff, der in der Gesellschaft so negativ behaftet ist. Für mich ist er das jedoch nicht. Ich habe musikalisch nicht den Anspruch, das Rad komplett neu zu erfinden. Was einst war, ist für mich Perfektion. Und warum sollte ich etwas wie den Black Metal, der in den 90er Jahren perfekt war, zerstören und neu definieren wollen? Das ist nichts für mich. Von daher war meine Vision von GRÀB von Beginn an, musikalisch einige der besten Momente des 90er Jahre Black Metal aufzugreifen und diese mit etwas Ursprünglichem und traditionell Bayerischem zu bereichern. Dadurch entstand unsere eigene Hommage an bessere Zeiten.

Auf „Zeitlang“ befindet sich ein von Schwadorf komponiertes und eingespieltes Stück. Wurde dieses im Rahmen der Aufnahme von „Zeitlang“ eingefügt oder war der Song schon vorher vorhanden?

Schwadorf hat dieses Stück eigens für GRÀB komponiert, eingespielt und aufgenommen. Ich kenne und schätze ihn schon lange als Menschen, Musiker und Künstler. Ich wusste, dass auch er ein großer Fan der Ambient-Stücke von BURZUM oder DEAD CAN DANCE ist. Genau so ein Stück schwebte mir bei „Auf da Roas“ vor – nur eben eine bayerische Interpretation davon. Da kam es wie gerufen, dass er sich ein Hackbrett zugelegt hatte, das er mittlerweile auch bei EMPYRIUM und SUN OF THE SLEEPLESS einsetzt. Mit „Auf da Roas“ hat er wahrlich ein Stück Magie komponiert, das sich insbesondere an der Stelle des Albums perfekt einfügt.

„Zeitlang“ hat verschiedenste Bezüge zu anderen bekannten Akteuren der Metal-Szene in Deutschland, einige sind auch bereits in den Fragen angeklungen. Würdet ihr euch selbst (persönlich und insbesondere heuer) als Mitglieder einer Szene beschreiben und falls ja, wie nehmt ihr diese Szene heutzutage war?

Ich sehe mich schon lange nicht mehr als Bestandteil irgendeiner Szene. Die Black Metal-Szene der 90er Jahre ist längst tot, der Black Metal in seiner ursprünglichen Form durch den Mainstream ausgeschlachtet. Mittlerweile ist dieses „Szene“ (so sie denn diese Bezeichnung überhaupt noch verdient) übersät von Leuten, die nur noch die Musik „ganz gut finden“, aber die Ideologie dahinter verachten. Black Metal war einmal grenzenlose Rebellion, was damals nicht nur in extreme Texte und abgewandte Produktionen (Stichwort „Necro-Sound“) gipfelte, sondern auch in diverse Straftaten. Black Metal war seit jeher mehr als nur Musik. Die darin involvierten Leute waren damals buchstäblich Feuer und Flamme dafür. Davon ist heutzutage nichts mehr übrig geblieben. Im Gegenteil: Die heutige Black Metal-„Szene“ hat sich ausgerechnet den moralischen „Werten“ der Gesellschaft angepasst und untergeordnet, die man früher verachtet hat. Dementsprechend besteht auch diese „Szene“ nur noch aus Rechtfertigungen und Entschuldigungen.

Ist GRÀB aus eurer Sicht eigentlich eher Band oder Projekt? Können wir langfristig mit weiteren Alben rechnen? Wäre GRÀB, jetzt mal unabhängig von der aktuellen Situation, auch für die Bühne ein Thema?

Unter einer Band verstehe ich ein komplettes Line-Up, mit dem man regelmäßig probt. Das hatte ich seit DARK FORTRESS nicht mehr. Von daher sind all meine musikalischen Aktivitäten seither für mich Projekte. Wie es mit GRÀB weitergeht, kann ich noch nicht sagen. Ich habe einige vage Visionen, die aber jetzt noch nicht spruchreif sind. Konzerte hatten für mich schon vor Corona ihren Reiz verloren. Ich hatte damals mit DARK FORTRESS jede Menge Konzerte und an einem gewissen Punkt hatte ich das Gefühl, dass ich da alles schon gesehen habe und es mir nichts mehr gibt. Bei GRÀB käme nun noch die Frage der Umsetzbarkeit dazu. Wir bräuchten dazu erstmal ein entsprechendes Line-Up, dann müssten wir uns monatelang vorbereiten können. Und selbst wenn das alles passen sollte, würde ich kein Konzert geben, solange man dafür einen von Politik und Medien künstlich konstruierten Passierschein braucht.

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Quelle: Interview mit Grànt, Dezember 2021
30.12.2021

Stellv. Chefredakteur

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15 Kommentare zu Gràb - Ich sehne den Tod schon lange herbei

  1. Watutinki sagt:

    Geniales Interview, man fühlt sich verstanden und bestätigt. Auf jeden Fall werde ich Zeitlang zukünftig mit noch mehr Ehrfurcht vor diesem Schaffen und dem Gedankengut des Musikers hören.

  2. nili68 sagt:

    >Black Metal war seit jeher mehr als nur Musik.<

    Wenn der das so sieht, ist das für den natürlich richtig, aber unter'm Strich ist das halt auch nur eine Sichtweise von vielen und kann außerdem auf jede Musikrichtung übertragen werden, wenn man das braucht.

  3. Watutinki sagt:

    Er zieht den Vergleich ja nicht im Kontext anderer Musikrichtungen, sondern zwischen dem BM der 90er und dem was seit einiger Zeit darunter verstanden und fabriziert wird.

  4. nili68 sagt:

    Das ist wahr, allerdings sieht man diesen „Werteverfall“ überall. Die Menschheit degeneriert halt generell, wird immer nihilistischer, nicht mal nur auf Musik, Entertainment und Kunst allgemein bezogen.

  5. Watutinki sagt:

    Dazu habe ich keine pauschale Meinung, sehe das eher differenziert.

    Was die Kunst angeht kennt man mich ja diesbzgl. mittlerweile glaube ich ganz gut, für mich sind in erster Linie kommerzielle Gründe für einen derartigen musikalischen Verfall verantwortlich. Und ja, das gibt es nicht nur beim BM, hier ist der Verfall nur sehr augenscheinlich, u.a. weil der BM in Extremen gefischt hat und sich das mit einer kommerziellen Ausrichtung überhaupt nicht verträgt.

    Aber wollen wir im neuen Jahr nicht gleich mit so einer Diskussion beginnen. ;)) Da haben wir uns ja auch schon zu genüge in der Vergangenheit ausgetauscht. Freue mich nur immer, wenn derartiges auch kongeniale Musiker von sich geben, was ja auch schon im Trelldom Interview zu lesen war, die ich absolut feiere. Fühle mich dann nicht mehr ganz so bescheuert, wie man mich hier manch mal gerne hinstellt. :))

  6. nili68 sagt:

    >kommerzielle Gründe<

    Klar, man kann den Plattenfirmen usw. die Schuld geben, aber trotzdem wird ja niemand gezwungen, den Scheiß zu kaufen. Der Anspruch sinkt halt generell.
    Warum das so ist, ist allerdings wirklich ein eigenes Thema, das man zu epischen Ausmaßen aufbauschen kann, haha..

  7. Watutinki sagt:

    Jetzt wird’s philosophisch…
    Wenn man bspw. den bayrischen Wald erleben will, dann ist die Essenz die dem Wald innewohnt, die den Wald ausmacht, der einzige entscheiden Maßstab sich dort zu bewegen oder ihn gar zu beeinflussen. Alles was davon abrückt, zerstört die Essenz die dessen innewohnt (und das erzählt ein leidenschaftlicher MTBer, der illegalen Trails nicht immer aus dem Wege gehen kann) ;))
    Wenn man den Wald zu kommerziellen Zwecken ausschlachtet, vernichtet man dessen Essenz. In erster Linie erfolgt das durch Menschen, die den Wald lediglich als Wirtschaftsgut betrachten.

  8. nili68 sagt:

    Ohne jetzt im Detail auf die ganzen Zusammenhänge einzugehen, ist das Problem einfach der Mensch selbst, bzw. dessen derzeitiger Entwicklungsstand, der sich vielleicht auch niemals im Kern ändert. Man kann halt nichts anderes als ein Mensch sein. Das Problem ist IMO nicht zu beheben. Da hat nicht die Wirtschaft oder der das dumme Volk schuld. Wir sind einfach fehlerhafter Code, als Ganzes, der natürlich auch mal positive Ausreißer zulässt.
    Ja, ich weiß, das ist jetzt schon sehr Metaebene.. 😉

  9. Watutinki sagt:

    Ich denke das war ein gutes finales Statement von Dir! ;))

  10. nili68 sagt:

    Ja, das sind Themen für Wissenschafts/Philosophieseiten oder Privatgespräche. Dem kann eine Metalseite nicht adäquat gerecht werden. Es geht ja schließlich NUR um Black Metal.. 😛 😉

  11. Stormy sagt:

    Da sagt der Künstler was die Fans hören wollen und schon fühlen sich die Fans verstanden und sind begeistert. So geht Marketing. Alles richtig gemacht.

  12. nili68 sagt:

    Nur weil viele heucheln, bedeutet das ja nicht, dass nicht einer das auch mal aufrichtig so meinen kann, unabhängig davon, was ich zu dem Thema meine.

  13. Stormy sagt:

    Klar kann er es so meinen. Es gibt sicherlich den ein oder anderen, der das alles wirklich so meint, aber trotzdem sind solche Interviews einfach Marketing und somit wird dort erzählt was die Fans hören wollen. Völlig egal ob nun wirklich so gemeint oder nicht, es dient dem Verkauf. Business halt.

  14. nili68 sagt:

    Klar, alles womit man an die Öffentlichkeit tritt ist Business, auch die Musik selber, selbst wenn man das außerhalb derer null publiziert.
    Im Einzelfall bewerte ich das dennoch unterschiedlich.

  15. Watutinki sagt:

    Soll auch Leute geben die es einfach lieben, sich mit ihrem passionierten Thema zu beschäftigen und warum sollten dazu nicht auch Interviews gehören.