Jinjer
Wir sind nicht mehr dieselben

Interview

Was 2104 mit „Cloud Factory“ im Eigenvertrieb begann, verbreitete sich schnell wie ein Lauffeuer. JINJER, die Band aus dem Brennpunkt Donezk/Ukraine stammend, hat sich ihren Erfolg hart erarbeitet, hart erspielt. Immer weiter, ohne Stillstand. Mit der neuen Scheibe „Wallflowers“ , schieben JINJER wohl eines der wichtigsten Veröffentlichungen über den Ladentisch. Das gab uns genug Anlass mit Frontfrau Tatiana Shmailyuk zu sprechen. Ein Interview über die Stolpersteine des Textens, Inspirationen, Provokative Fragen und  Verantwortung.

Hallo, Tatiana. Lass´uns direkt über das neue Album sprechen. „Wallflowers“ heißt eure neue Veröffentlichung. Gibt es eine Geschichte oder ein Haupthema, mit dem sich diese Platte auseinandersetzt?

Das gesamte Album ist sehr fordernd und gleichzeitig düster und depressiv. Es handelt nicht unbedingt von Depressionen, oder depressiven Phasen, aber hat doch das Grundthema der mentalen Instabilität. Gleichzeitig ist es sehr emotional. Ich hoffe, dass man beim Hören einen Zugang zu dem bekommt, was wir transportieren und reflektieren wollten.

Das kommt wirklich gut herüber. War es für dich emotional intensiv die Songs zu schreiben?

Oh ja sehr. Es gab Momente, da wollte ich direkt meinen Kopf an die Wand schlagen (lacht), weil es teilweise echt intensiv war und für mich auch tatsächlich sehr schwer für mich war „Wallflowers“ zu erarbeiten. Meine Lyrics sind eigentlich keine, die mich hundertprozentig tief treffen, wo ich zum Beispiel davor sitze und es mich zum Weinen bringt. Ich bin nicht der superdramatische Typ sondern lasse alles einfach so zu Papier kommen, wie mir gerade die Laune steht. Bis auf eine Ausnahme. Als ich „Disclosure!“ schrieb, war ich sehr emotional, aufgewühlt und verärgert. Schuld war ein Ereignis, welches ich noch circa drei Tage mit mir psychisch herumgetragen habe und dann habe ich einfach die Lyrics für „Disclosure!“ heruntergeschrieben.

„…Bei Disclosure war ich emotional aufgewühlt..“

Was ist da denn passiert, was du solange mit dir herumgetragen hast?

Ich bin eine sensible Person. Jede Situation kann mich mal mehr oder weniger treffen. Aber in diesem Fall waren wir in einer Interviewsituation die von anfangs freundlich sehr schnell in Respektlosigkeit umschlug. Wir wurden in einem komplett falschen Licht dargestellt und mussten zwei Stunden lang über Politik reden, was wir als Band nicht so gerne machen. Es waren sehr provokative Fragen, so dass wir von Anfang an in die Ecke gedrängt wurden. Als wäre es geplant gewesen uns schlecht dastehen zulassen.

„Wallflowers“ hat im gesamten mehr Death-Metal-Einflüsse und überraschende, stimmliche Spielereien auf Lager. Würdest du denn sagen, dass dies eurer härtestes Album bisher ist?

Ich denke immer, dass das Album, an dem wir gerade arbeiten das schwerste ist, und dann kommt das nächste und ich denke: „Uff. DAS ist jetzt aber wirklich das schwerste. Hahahahah.“ Aber ja, es war schwer. Ich habe mich mit den Lyrics echt schwer getan. Ich bin so schlecht in Sachen Poesie! Lacht. Ich liebe Poesie und habe den höchsten Respekt vor Menschen, die dazu in der Lage sind. Ich schreibe dafür lieber Geschichten. Als kleines Mädchen habe ich echt einen Haufen komischer Gedichte geschrieben, ohne wirklichen Sinn dahinter. Habe neue Wörter erfunden. Das habe ich immer während des Unterrichtes gemacht. Aber ernste Texte, die ja sowas wie kleine Geständnisse sind. Ja, das ist schwer für mich. Wer es nicht mag, darf gerne mit Tomaten nach mir schmeißen (lacht).

„.. Wer es nicht mag, darf mit Tomaten schmeißen…“

Das neue Album ist ja hauptsächlich zwischen Tourbus und Shows entstanden. Fühlst du dich am kreativsten, wenn du unterwegs bist?

Das ist bei mir irgendwie anders. Ich schreibe Musik nicht, wenn ich Zeit habe oder mich die Inspiration packt. Ich werde nicht so einfach einer Inspiration gepackt. Das ist bisher nur einmal vor vielen Jahren passiert. Bei „Vortex“ wurde ich zum Beispiel nach einer Show in Russland im Januar total gepackt und schrieb die ersten Zeilen herunter. Letztendlich wurde der Song aber erst im April fertig. Also du siehst, mit der Inspiration ist es da etwas schwieriger.

Jinjer – Full Force Festival 2019

JINJER ist ja eine Band, die es liebt unterwegs zu sein, zu touren, Kontakt zu den Fans zu haben. Ihr hattet ja auch während der letzten Monate einige Social-Distancing-Konzerte. Wie war das für dich? Ist das für euch ein Unterschied, ob 200 oder 2.000 Menschen vor der Stage stehen?

Ja, das ist tatsächlich ein Unterschied. Bei den Social-Distancing-Konzerten waren es tatsächlich bis zu 300 Menschen. Also das war trotzdem noch eine gute Menge. Wenn ich daran zurck denke, dass es auch Zeiten gab, wo wir vor 4 Leuten gespielt haben, sind wir eigentlich immer dankbar wenn es mehr sind (lacht). Du kannst die Stimmung aber letztendlich nie an der Größe des Publikums ausmachen. Manchmal hast du 2.000 Leute vor dir, und die bewegen sich einfach nicht, zeigen nichts an Anerkennung, kein Klatschen, Gröhlen oder Tanzen. Da trifft wieder der altbekannte Satz: Es geht nicht um Quantität, sondern Qualität.

„… Es geht nicht um Quantität, sondern Qualität..“

„Wallflowers“ ist auf jedenfall Qualität und man hört euch direkt an, wie wichtig die Platte für euch ist. Würdest du sagen dass es eines eurer besten, bisherigen Alben ist?

Wir haben uns entwickelt. Ich finde „Wallflowers“ ist besser als alles andere, was wir bisher gemacht haben. Es werden immer Fans daherkommen, die die alten Sachen lieber mögen, aber wir sind mittlerweile so weit entfernt von den alten Veröffentlichungen. Das sind wir irgendwie nicht mehr. Ich muss auch ehrlich zugeben, bei „Wallflowers“ bin ich echt dieses Mal sehr ins Artwork verliebt. Wir haben mit einem neuen Künstler zusammen gearbeitet, der das was in unseren Köpfen war, auf sehr künstlerisch, hohem Niveau umgesetzt hat. Ich war zwar die treibende Kraft in diesem Fall, aber natürlich was das Ganze am Ende eine Gemeinschaftsentscheidung. Ich hasse es, die Verantwortung zu übernehmen, deshalb fühlt es sich immer besser an, wenn alle daran beteiligt sind.

„.. Ich hasse es, die Verantwortung zu übernehmen…“

Wir wollen kurz noch einmal über Corona und die Pandemie sprechen. Hat dich die Pandemie verändert bzw. die Sicht auf die Dinge dahingehend verändert, dass du normales jetzt mehr Wert schätzt?

Ja vielleicht ein bisschen. Aber ich bin jetzt 30 Jahre alt und gehe tatsächlich nicht mehr so oft aus. Ich bin gerne gemütlich zuhause. Aber es hat mich dazu gebracht unsere Touren mehr wert zu schätzen. Sonst hat man irgendwann immer angefangen etwas zu jammern: „Die Tour ist zu lang, ich möchte nach Hause, ich will in meinem Bett schlafen usw.“ Aber jetzt starten JINJER frisch und erholt wieder durch.

Tatiana, wir wären dann auch schon fast fertig. Die letzten Sätze an die Leser überlasse ich dir.

Folgt uns auf allen Kanälen und verpasst nicht „Wallflowers“. Und ihr müsst alle, alle Interviews lesen. Wir geben seit Monaten Interviews für diese Platte (lacht). Also alles brav lesen und lasst uns natürlich gerne wissen, was ihr von der neuen Scheibe haltet.

Quelle: Tatiana Shmailyuk, Jinjer
30.08.2021

It`s all about the he said, she said bullshit.

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