Sweeping Death
Die Hingabe zur Leidenschaft

Interview

Sieben Jahre nach dem Debütalbum „In Lucid“ und vier Jahre nach der EP „Tristesse“ melden sich SWEEPING DEATH mit ihrer neuen Platte „Devotion To The Absurd Night“ zurück. Was so lange gedauert hat und mit welchem Selbstverständnis die Band an die neuen Songs herangegangen ist, erklären Sänger Elias Witzigmann und Gitarrist Simon Bertl.

Moin Jungs, sieben Jahre hat es nach „In Lucid“ bis zu einem weiteren Full-Length-Album gedauert. Die zwischenzeitlich erschienen EP „Tristesse“ ist derweil knappe vier Jahre her. Wolltet ihr euch bewusst länger Zeit mit dem Songwriting lassen oder wie kam es zu dieser doch recht langen Zeit zwischen den Veröffentlichungen?

Elias: Servus erstmal – und danke, dass wir ein bisschen zu den Hintergründen der neuen Platte erzählen dürfen. Also nein, die lange Pause war keine Absicht. Die Zeit ist einfach passiert. Wir sind keine Band, die alle zwei Jahre ein Album raus bringen muss, sondern bauen so lange an den Songs, bis sie uns gefallen. Wenn das Jahre dauert, dann ist das eben so. Tatsächlich waren einige Songs schon kurz nach Tristesse skizziert. Musikalisch waren wir schneller fertig, aber beim Gesang hat’s länger gedauert – entweder weil ich einfach zu schlecht bin oder weil wir uns verrannt haben in der Suche nach echten Hooks. Wahrscheinlich beides.
Außerdem haben wir das Album komplett selbst aufgenommen. Heißt: keine Studio-Uhr, keine Deadlines – und damit die perfekte Ausrede, sich in Details zu verlieren. Ich hab allein für die Vocals Monate im Studio verbracht, immer mal wieder, einmal die Woche – ob´s dadurch besser geworden ist, muss jeder selber entscheiden.

Aktuelle Entwicklungen annehmen

Im Promotext wird „Devotion To The Absurd Night“ als logische Fortsetzung der EP und gleichsam als Beginn eines neuen Kapitels in der SWEEPING DEATH-Geschichte beschrieben. Was zeichnet dieses neue Kapitel in der Bandgeschichte aus?

Elias: Tristesse hat Türen geöffnet – „Devotion To The Absurd Night“ wagt einen Blick dahinter und geht konsequent hindurch. Die EP war für uns wie ein Herantasten an eine düsterere, ernstere Klangwelt. Das neue Album geht diesen Weg weiter – und fühlt sich so wie ein echtes Statement an. Wir haben den Prog-Faktor im Vergleich zu früher ein bisschen heruntergefahren, jedenfalls
glauben wir das, und versucht, die Songs etwas klarer zu strukturieren. Gleichzeitig sind die Texte persönlicher geworden, direkter, aber ohne den Anspruch, alles erklären zu müssen.
Und natürlich gibt’s auch personell ein neues Kapitel. Unser neuer Bassist ist zwar nicht auf dem Album zu hören, aber jetzt Teil der Band – und es fühlt sich verdammt gut an, wieder
vollständig zu sein. Das Kapitel ist also nicht nur musikalisch, sondern auch menschlich ein neues.

Wir leben in Zeiten, in denen die meisten Menschen lieber auf Streamingdienste und ihre Playlisten zurückgreifen, anstatt eine Platte aufzulegen und ein Album konzentriert von vorne bis hinten zu hören. Wie steht ihr als Band zu diesen veränderten Hörgewohnheiten?

Simon: Diese Entwicklung spüren wir definitiv. Es gibt dazu aus unserer Sicht zwei Seiten der Medaille. Was den künstlerischen Part angeht, sind wir definitiv altmodisch gepolt. Wir lieben es unsere Veröffentlichungen als Gesamtkunstwerk zu betrachten, uns Song-übergreifende Konzepte zu überlegen und von der Stimmung des Albums bis zum Bühnenoutfit, den Hörern ein Gesamtpaket zu präsentieren, das sie in ihren Bann zieht.
Was sich aber verändert hat, ist vor allem die Herangehensweise an die Veröffentlichung. Wir versuchen uns an die veränderten Hörgewohnheiten der Leute anzupassen und veröffentlichen nicht mehr alle Songs auf einmal. Weil man einfach Gefahr läuft, dass die Aufmerksamkeitsspanne vieler Leute nicht über die ersten zwei Songs hinausgeht und dadurch der Rest des Albums kaum noch Aufmerksamkeit bekommt.
Der Release streckt sich jetzt über Monate und es kommt ein Song nach dem anderen raus, bis am Ende das Album als Ganzes dasteht. Diese neue Strategie hat durchaus auch ihre schönen Seiten. Und allgemein versuchen wir, uns nicht zu sehr vor diesen neuen Entwicklungen zu sträuben, sondern Sie anzunehmen und das Beste draus zu machen.

Beim Hören von „Devotion To The Absurd Night“ hatte ich das Gefühl, dass ihr euch beim Songwriting wenig um diese Entwicklungen geschert habt. Jetzt habt ihr schon angesprochen, dass ihr ein Gesamtkunstwerk erschaffen wolltet. Was genau bedeutet das für euch?

Simon: Genau! Wie eben schon angesprochen, ist das Album als Gesamtkunstwerk für uns immer noch der natürlichste Weg, uns auszudrücken. Philosophische Themen, die uns im Moment beschäftigen und autobiografische Episoden, die wir gerade durchmachen, finden immer ihren Weg in die Songs und lassen eine Momentaufnahme von uns selbst und der Band entstehen, die hoffentlich für die Hörer/innen Sinn ergibt.

Auf dem neuen Album wollt ihr eure Black-Metal-Einflüsse mehr hervorheben. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich das nicht so herausgehört habe. In meiner Wahrnehmung ist die Platte neben traditionellem Heavy Metal eher vom Hardrock beeinflusst, insbesondere was die Melodieführung im Klargesang angeht. Wo genau seht ihr diese Black-Metal- Einflüsse?

Elias: Lustig, dass du das sagst, denn genau im Gesang sehe ich diese Einflüsse. Ich hab auf „Devotion To The Absurd Night“ zum ersten Mal in diesem Stil gesungen. Dabei war Johannes Andersson von TRIBULATION eine große Inspiration. Seine Art zu singen irgendwo zwischen Death & Black-Metal hat mich schon immer wahnsinnig fasziniert. Und dann war’s irgendwie da. Fast jeder Song hat bei uns mindestens einen Part mit Black-Metal-Vocals, zumindest aus unserer Perspektive. Und klar, wenn jemand sonst nur DARKTHRONE oder WATAIN hört, dann ist der Black-Metal-Anteil komplett streitbar. Aber für uns war’s ein neuer Ton, ein Element, das sich wie ein roter Faden durch das Album zieht.
Auch musikalisch gibt’s da Ansätze – atmende, kalte Gitarrenflächen mit schnellen Drums, die man aus dem Genre kennt. Die tauchen jetzt häufiger auf, waren vorher eher ein Ausnahmefall. Wir sind absolut keine Black-Metal-Band, aber es kam eine weitere Farbe auf der Palette hinzu. Am Ende ist das Ding ein progressive Heavy-Metal-Album, düsterer als zuvor.

„Camus war diesmal auf jeden Fall die größte Inspiration“

Ein Einfluss auf die Platte war das Werk „Der Mythos des Sisyphos“ des französischen Philosophen Albert Camus. Er verfasste dieses Essay bereits 1942, also vor 83 Jahren. Inwieweit ist der Inhalt von „Der Mythos des Sisyphos“ für unsere heutige Zeit noch relevant und wie genau spiegelt er sich auf „Devotion To The Absurd Night“ wider?

Simon: Camus beschäftigt sich in diesem Buch mit dem Absurden und ich denke jeder hat das Leben schon mal als absurd empfunden und sich nach dem Sinn gefragt. Ähnlich wie Sisyphos seinen Stein immer wieder aufs neue nach oben schieben muss, rennen wir tagtäglich unseren mehr oder weniger sinnvollen Aufgaben hinterher und versuchen sie zu bewältigen. Dabei macht Camus den Twist und stellt sich Sysiphos als einen glücklichen Menschen vor. Camus versucht, das Konzept eines absurden Menschen zu skizzieren und Möglichkeiten an die Hand zu geben, die Absurdität anzunehmen und wie in Sysiphos’ Fall trotzdem glücklich zu werden, indem man sich seiner Situation bewusst wird und dadurch sich selbst die Möglichkeit gibt trotz allem Schönheit im Absurden zu finden. Wer genau hinhört und vielleicht auch unsere Lyrics liest, wird feststellen, dass sich das Absurde und der Umgang damit in verschieden Formen durchs ganze Album zieht. Viel Spaß beim stöbern und entdecken.

Welche anderen philosophischen Werke haben euch beim Schreiben des Albums beeinflusst?

Simon: Camus war diesmal auf jeden Fall die größte Inspiration. Allerdings haben sich durch die Auseinandersetzung mit Schopenhauers Philosophie für unsere „Tristesse“-EP, sicher auch Elemente seines Schaffens wieder eingeschlichen. Der Song „Devotion“ behandelt beispielsweise wieder sehr deutlich die Überwindung der Triebhaftigkeit des Seins durch Kunst. Schopenhauer lässt grüßen.

In den Songs verarbeitet ihr zudem auch düstere persönliche Erfahrungen. Depressionen sind ebenso Thema auf dem Album wie Panikattacken. Sind das autobiografische Themen, die ihr da aufgreift oder eher Themen, die ihr in eurem Umfeld und der Gesellschaft beobachtet?

Elias: Definitiv autobiografisch – aber ohne den Wunsch, jetzt irgendwem unsere seelischen Krankenakten vorzulegen. Es sind Erfahrungen, die wir innerhalb der Band gemacht haben, gerade in den Jahren nach der Pandemie. Dinge, mit denen wir umgehen mussten. Das Album ist kein Tagebuch, kein Konzeptalbum zu einem einzigen Thema. Es ist eher ein Mosaik aus Erfahrungen, Gedanken und eben unter anderem dunklen Phasen, aber auch der Versuch, daraus etwas zu machen. Keine Lösung, kein Ratgeber, eher ein Spiegel. Und vielleicht ein kleines Licht in der Ferne, das nur flackert, aber da ist. Und neben diesen Themen geht es auch immer wieder um den Schaffensprozess mit all seinen guten und schlechten Seiten und wie dieser einem aus dem Tal helfen kann. Ach ja, einige philosophische Konzepte gibt´s natürlich auch noch. Lest das Booklet!

„Wir sehen uns gewissermaßen als Botschafter eines bewussteren Lebens“

Wie wichtig ist es für euch als Band, solche ernsten Themen in euren Songs zu verhandeln?

Elias: Sehr. Denn wenn du Musik machst, die authentisch sein soll – was bei uns der Anspruch ist – dann musst du früher oder später auch über die dunkleren Seiten reden. Und Metal ist genau dafür da. Das Leben ist kein durchinszeniertes Instagram-Reel. Es gibt Höhen, und es gibt Tiefen. Je nachdem wen man frägt, überwiegen Letztere und wie immer gilt: umso höher das Hoch, umso tiefer das Tief. Wenn wir darüber singen, dann nicht, um künstlich Drama zu inszenieren – dafür sind die Texte eigentlich auch zu kryptisch – sondern weil wir glauben, dass wir damit etwas Echtes transportieren können. Vielleicht erkennt sich dann doch jemand wieder. Vielleicht liest jemand das Booklet und hat ein Aha-Erlebnis. Vielleicht ist’s auch einfach nur kathartisch für uns selbst – das reicht eigentlich schon. Und mal ehrlich: Gibt es jemanden, der nicht irgendeinen Stein zu tragen hat? Es geht eigentlich nicht darum, wie man ihn loswird. Aber vielleicht darum, wie man lernt, damit zu leben.

Als zentrale Botschaft des Albums versteht ihr, dass sich mit Hingabe jeder Gipfel überwinden lässt. Glaubt ihr, dass Musik heute noch die Möglichkeit hat, Menschen eine solche Botschaft zu vermitteln? Manchmal wirkt es so, als verliere Musik mit jedem Tag an gesellschaftlichem Stellenwert.

Simon: Wenn Musik das nicht schaffen kann, was dann? Wir glauben natürlich sehr stark an die Kraft der Musik, weil sie jeder von uns immer wieder sehr deutlich spürt. Im Proberaum, auf der Bühne oder durch Kopfhörer im täglichen Wahnsinn. Musik vermittelt Energie und Schönheit und hat definitiv die Kraft Berge zu versetzen. Und wir sehen uns gewissermaßen als Botschafter eines bewussteren Lebens durch die Hingabe zu einer Leidenschaft wie der Musik.

Quelle: Foto: Michael Poganiatz
01.05.2025

"Irgendeiner wartet immer."

Exit mobile version