Thunder
Mach dir keine Illusionen

Interview

THUNDER haben noch nie so schnell ein neues Album herausgebracht. Vor allem haben sie noch nicht so viele neue Songs auf einen Schlag herausgebracht, von denen einige offensichtlich der Pandemieverarbeitung zuzurechnen sind. Grund genug, um mit Sänger Danny Bowes über Wandel, Social Media und Erwartungshaltungen zu reden.

Ich würde gerne mit einer offensichtlichen Frage anfangen: „All The Right Noises“ erschien erst vor einem Jahr. Warum denkt ihr, dass schon wieder ein neues Album notwendig ist?

Langeweile. Das ist wohl die einfachste Antwort auf diese Frage. Wenn wir ein Album rausbringen, dann touren wir dazu auch. Aber durch die Pandemie war das nicht möglich. Anstatt uns zu langweilen, haben wir ein neues Album geschrieben. Das war die einzige Möglichkeit, Musik zu machen. Also ging es ohne Tour direkt zurück ins Studio. Das hat Spaß gemacht, obwohl es uns frustriert hat, dass wir die Songs des neuen Albums nicht live spielen konnten. Besonders, da wir das Album schon ein Jahr vor der Veröffentlichung fertig gestellt hatten. Diese Platte haben wir im Oktober fertiggestellt und nun können wir sie immerhin sechs Monate später veröffentlichen.

Wann habt ihr mit der Arbeit an „Dopamine“ angefangen?

Das Songwriting begann kurz nach der Veröffentlichung von „All The Right Noises“, das erste Mal ins Studio ging es im Mai und das zweite Mal im September.

Warum habt ihr euch dafür entschieden, aus der Scheibe ein Doppelalbum zu machen?

Der wichtigste Faktor, wenn du ein Album schreibst ist, dass du die richtigen Songs hast. Denn Luke schreibt eine Menge Songs und wir haben nur die aufgenommen. Weil er so viel Zeit hatte, hat er mehr Songs als sonst geschrieben. Wir konnten uns zwischen ihnen nicht entscheiden, also haben wir sie alle aufgenommen, was wesentlich mehr als sonst ist. Und von denen konnten wir uns nicht entscheiden, welche nicht auf der Scheibe sein sollten. Wir kamen zu dem Schluss, dass wir ein Doppelalbum machen sollten. Wir haben es noch nie zuvor gemacht, es wäre witzig und wir würden eine Menge Songs nicht einfach im Schrank lassen.

Im Interview zum letzten Album hast du gesagt, dass meistens Luke und du aussuchen, welche Songs ihr reinnimmt. Habt ihr dieses Mal externe Leute miteinbezogen?

Es ist hauptsächlich Luke, der die Entscheidungen darüber trifft, was auf der Platte landet. Und die anderen in der Band haben Meinungen, die danach kommen. Normalerweise sind wir in 99% der Fälle mit seinen Entscheidungen einverstanden und gelegentlich können wir uns mit ein paar Songs durchsetzen, von denen wir überzeugt sind, dass sie auf dem Album landen sollten. So hat er nachgegeben und die Band ihren Willen bekommen. Jemand muss die Verantwortung übernehmen, denn die Band entscheidet in den wenigsten Momenten gemeinsam.

Worin siehst du den Unterschied vom neuen Album zu „All The Right Noises“?

Ich denke, dass das Album wegen seiner Einflüsse breiter ist. „All The Right Noises“ war eine Rock-Platte, denn der Vorgänger „Please Remain Seated“ war eine Sitzplatte. Wir haben eine Menge alter Songs aufgenommen, auseinandergenommen und umarrangiert. Manche waren kaum wiederzuerkennen. Es war eine Sit down record. Als sie rauskam, sagten viele Leute, dass wir jetzt nun alt geworden sind und ruhige, sanfte Alben machen. Das war aber nie unsere Intention. Als wir das Album fertiggestellt hatten und wieder im Studio waren, haben wir uns sehr schnell darauf geeinigt, wieder eine Rock-Scheibe zu machen. „All The Right Noises“ war die Antwort, um die Zweifel wegen „Please Remain Seated“ zu beenden.

Diese Erwartungshaltung war bei „Dopamine“ aber nicht da, wir wollten einfach eine Mischung aus guten Songs haben. Es geschah aber eher zufällig, dass wir so viele Songs hatten, die im Kontrast zu unseren früheren Alben standen. Wenn du ein Album mit elf oder zwölf Songs machst, dann muss es eine bestimmte Aufgabe erledigen. Bei einem Doppelalbum hast du diesbezüglich mehr Freiheit und das hörst du einigen Songs auch an. Normalerweise würden wir kein Sechs-Minuten-Stück mit nem Saxofonisten auf ein THUNDER-Album packen. Es ist gut, dass wir die Freiheit zum Ausprobieren hatten und das wird Teile unserer Hörerschaft auf die Probe stellen. Du musst reifer werden, um dich zu verbessern.

Welcher ist deiner Meinung nach der unüblichste THUNDER-Song auf dem Album?

Ich würde mich für ‚The Grifter‘ entscheiden. Es liegt an diesem karibischen Gefühl, welches mir der Song vermittelt. Das macht es für mich zu einem alten Folk-Song mit einer Geige. Er handelt von unserem idiotischen Premierminister und welchen Schaden er mit seinem Ego anrichtet. Man muss mutig sein, um so einen Song zu schreiben und damit durchzukommen. Für mich ist das der interessanteste Song auf dem Album, auf dem wir viele interessante Songs zu unterschiedlichen Themen haben. Das ist ein Song über einen Bekannten von uns, der an alle Verschwörungstheorien glaubt. Es ist textlich eine sehr interessante Platte.

Als ich die Texte zum Album gelesen habe, hatte ich das Gefühl, dass sich vor allem die Texte des zweiten Teils mit der Pandemie befassen.

Einige von ihnen. Es ist immer so, dass deine Umwelt auch dein Schreiben beeinflusst. Luke hat keine Angst davor, darüber zu schreiben, was in seinem Leben los ist und auf unserem letzten Album sind ein paar sehr unglückliche Songs drauf. Mit dieser Scheibe ist es genauso. Er schreibt über seine Gefühle. Ich denke, dass man dafür Mut braucht und auch gut darin sein muss, um nicht naiv zu klingen.Er hat auf dieser Scheibe einen guten Job gemacht hat.

In ‚Even If It Takes A Lifetime‘ singst du davon, dass du immernoch einen Wandel erwartest. Gerade wenn ich mir die jetzige Situation mit den neuen Demonstrationsgesetzen anschaue, frage ich mich, wie ihr die Hoffnung behalten könnte, obwohl die Lage schlimmer denn je scheint.

Ja, ich denke, dass es mit unserer idiotischen Regierung zusammenhängt. Aber ich denke, dass die Menschlichkeit überdauert. Die Ukrainer beweisen das gerade. Es ist sehr wichtig, dass wir an positiven Wandel glauben, damit die Welt besser wird. Du musst dich an diese Prinzipien haltet und deine Botschaft für einen positiven Wandel rüberbringen. Du kannst überall in die Geschichte zurücksehen und gucken, was Leute für Wandel erbracht haben. Wir können das nur auf kleine Weise machen, weil wir Musiker und keine Politiker sind. Aber wir können über die Dinge schreiben die uns bewegen und hoffen, dass die Leute das aufnehmen und selber Wandel bewirken.

Kommen wir auf ‚I Don’t Believe The World‘ zu sprechen: Mir gibt dieser Song starke 2000er-Hip-Hop-Vibes.

Ich liebe den Song. Ich liebe den Text, die Message dahinter und ich verstehe dich, was den Hip-hop-Vibe mit den Schlagzeugrhythmus angeht. Es hat aber auch Anklänge von AEROSMITH mit der Cowbell und dem großartigen Gitarrensolo. Aber das wichtigste ist für mich der Text über Verschwörungstheorien. Er ist aus der Perspektive einer Person, die denkt, dass die gesamte Welt eine riesige Maschine ist, die von ein paar Leuten kontrolliert wird und alles getan wird, damit die Person an ihrem kleinen Fleck bleibt. Und es kommen ein paar Beispiele vor: Die Ermordung von Marilyn Monroe, von John F. Kennedy und dass die Twin Towers zu früh gefallen sind. Alles, dass die Welt von ein paar Einzelpersonen kontrolliert wird. Vielleicht ist es wahr, aber es ist witzig, dass in dem Text aufzugreifen.

Aus dem Promotext entnehme ich, dass euch der Albumtitel wichtig ist, obwohl er mit keinem Song zusammenhängt. Wie seid ihr auf die Idee gekommen, euch ausgerechnet diesen Titel auszusuchen?

Nun, wir sind ja schon ziemlich alt, unser Blickwinkel auf Social Media unterscheidet sich von dem jüngerer Menschen. Wir haben kein Bedürfnis Social Media auf die Weise zu nutzen, wie es junge Leute machen, Sie nutzen es, weil es ihnen hilft, sich zu definieren. Das finden wir zwar amusänt, aber auch alarmierend. Dopamin ist ein Neurotransmitter, welche das Gehirn emittiert, wenn es Vergnügen erlebt. Social Media trägt oft dazu bei das zu produzieren. Während du von Dopamin zunächst eine positive Reaktion erhältst, bekommst du danach eine negative. Dadurch wirst du süchtig. Deswegen haben soziale Medien ein hohes Suchtpotential.

Ich habe eine Menge über Dopamin gelesen und es ist sehr faszinierend. Vor allem darin, wie sehr es uns verändert hat. Wir müssen uns nicht mehr alle zusammenrotten und für unser Überleben Bestien jagen. Dopamin spielt eine andere Rolle in unserem Leben, es beherrscht uns gerade. Es hat eine andere Rolle in unserem Leben. Das zeigt sich auch auf unserem Cover: Da sind zwei attraktive Frauen, die genausogut auch Männer sein könnten, die Wert darauf legen, sich in glamurösen Umgebungen zu fotografieren. Die sind so damit beschäftigt, von sich Fotos zu machen, dass sie das Einhorn im Badezimmer übersehen. Eine Menge Zeug wird verpasst, wenn du dich nur mit Instagram beschäftigst. Diese Kernbotschaft ist uns wichtig.

Einige der Texte sind über die Pandemie und wie sehr ihr das Leben von vor der Pandemie vermisst. In Großbritannien sind viele der Restriktionen gefallen. Fühlt es sich jetzt so an, als ob ihr euer altes Leben wieder hättet?

Nein. In einigen Bereichen wird es besser, aber die Infektionen steigen. Wir haben einen Weg gefunden mit Covid umzugehen, wie jeder auf der Welt. Unsere Regierung hat sich nur dazu entschieden, das früher und etwas anders als andere Länder zu machen. Aber ich denke, dass niemand die Illusion hat, dass unser Leben wieder normal geworden ist und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Zumindest was die alte Normalität angeht. Wir befinden uns jetzt für die nächsten Jahre in einer neuen Normalität.

Aber ihr habt schon eure ersten Konzerte seit Beginn der Pandemie gespielt. Im Dezember letzten Jahres in Wolverhampton. Wie hat es sich angefühlt, nach der langen Zeit wieder auf der Bühne zu stehen?

Es ist sehr schwierig, das in Worte zu fassen, denn es ist toll, vor einem Publikum auf der Bühne zu stehen. Aber man konnte spüren, dass das Publikum sich unwohl fühlte. Sie haben zwar das richtige getan, gejubelt, gesprungen, aber du konntest sehen, dass sie zurückhaltend und besorgt waren. Wir haben es so gut gemacht, wie es unter den Umständen ging, aber es war bestimmt nicht wie eine normale Show. Es hat sich im Verlauf des Konzertes etwas verbessert und es war toll, vor dem Publikum zu spielen. Es war etwas seltsam.

Auf dem Konzerten habt ihr Akustiksets gespielt. Welche Relevanz haben akustische Sounds für euch?

Wir mögen es, auf unseren Weihnachtskonzerten kleine Akustiksets zu spielen. Die Weihnachtskonzerte unterscheiden sich von den Shows, die wir normalerweise spielen. Aber wir machen sie schon seit langer Zeit. Deswegen hoffen wir auf das Verständnis unseres Publikums, dass wir ein Akustikset mit seltsamen Versionen unserer Songs und Coverversionen machen. Danach spielen wir ein klassisches „elektrisches“ Set. Die Akustikshows sind sehr wichtig für uns, weil sie uns die Möglichkeit geben, eine Menge ungewohnter Songs zu spielen. Dieses Format ist für uns und das Publikum ungewohnt. Es ist toll, dass sie immernoch zu den Shows kommen, denn nicht jeder möchte die Band unbedingt akustisch sehen. Viele Leute sind puristisch, was Rockbands angeht, aber wir sind so nicht drauf. Wir sind eine vielseitige Band, können auf verschiede Art performen und mögen das auch.

Ihr habt ja keine Tour zu „All The Right Noises“ gespielt und seid jetzt nun in der schwierigen Position, dass ihr zwei Alben angemessen würdigen müsst. Wie fühlst du dich damit, diese beiden Alben in die Setlist zu integrieren?

Das wird sehr schwierig. (lacht) Wir können nicht für drei Stunden spielen. Also packen wir Songs von den letzten beiden Alben und von den Fans geforderte Songs in die Setlist. Bislang haben wir immer Setlists zusammengestellt, die sich richtig angefühlt haben, aber es gibt eine Menge Variationen. Also müssen wir uns ausprobieren, bevor wir die beste Lösung für die Shows im Mai haben. Aber das wird schwer. Momentan proben wir 35 Songs, die wir natürlich nicht alle spielen. Aber wir möchten in der Lage sein, das tun zu können.

Würdest du persönlich lieber Klassiker  oder neue Songs auslassen?

Das ist schwierig. Wenn du eine neue Scheibe machst, dann willst du sie auch spielen. Du bist stolz drauf, hast sie gerade aufgenommen, sie ist brandneu für dich und sehr aufregend. Neue Songs rauszulassen ist hart, aber wir erkennen auch an, dass manche Leute die neue Scheibe nicht haben und sie vor dem Konzert auch nicht kaufen werden. Für diesen Teil des Publikums brauchen wir einfach auch genug alte Stücke, damit sie sich wohlfühlen. Aber das wird mit jedem Album, das du machst, schwieriger. Du kannst sie nicht alle spielen. Denn dann würdest du nur einen Gig spielen und direkt danach sterben.

29.04.2022

Redakteur mit Vorliebe für Hard Rock, Heavy Metal und Thrash Metal

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