Alice In Chains - Dirt

Review

Ahhh… dieser Eingangsruf im Opener „Them Bones“ eröffnet eines der geilsten Alben der Rockgeschichte allerzeiten. Jawohl allerzeiten. Was ALICE IN CHAINS da 1992 auf die Menschheit losließen, ist mir noch heute ein Rätsel. Die schrägen Akkorde, der charismatische Gesang vom bekanntlich inzwischen verstorbenen Layne Staley (R.I.P.), die inspirierte Gitarrenarbeit, das war unfassbar. NIRVANA, PEARL JAM, SOUNDGARDEN und die STONE TEMPLE PILOTS waren im kreativen Zenit oder erreichten ihn kurz darauf; diese Form Musik, seinerzeit nicht ganz treffend, aber markig „Grunge“ genannt, erlebte einen kurzen, heftigen Boom. Und derzeit überlegen ALICE IN CHAINS tatsächlich, ein weiteres Album zu veröffentlichen, mit William DuVall von COMES WITH THE FALL als Sänger.

Und ALICE IN CHAINS Meisterwerk „Dirt“ wird für immer eines der Alben des Olymps bleiben. Jeder Song war ein Volltreffer. Der Spannungsaufbau, die Dramaturgie, dieser Start mit dem umwerfenden kurzen, treibenden „Them Bones“, das ein unglaublich gutes Break enthält mit anschließenden Klasserocksolo, über „Damn That River“ mit dem im Gedächtnis bleibenden Refrain, das schräge „Rain When I Die“ mit diesen herrlichen Wah-Wah-artigen knorrigen Gitarrenläufen, das hat ganz große Klasse. Und Layne nölt wie kein zweiter. „Sickman“ mit diesem eigenwilligen Rhythmus, diesem psychedelischen Break und der anschließenden dunkel intonierten Strophenphase aufgelöst in einem typischen ALICE IN CHAINS-Chorus, mit dem man nach diesem Beginn so gar nicht rechnet, das ist große Kunst. Und dann dieser staubige melodische Mittelteil. Keiner der zahlreichen Epigonen hat das hinbekommen, weder TAPROOT noch PUDDLE OF MUD. Die variablen Drums, veritabel von Sean Kinney zelebriert, ein Bass, so eigenwillig wie ambitioniert in Szene gesetzt von Mike Starr, das war im Verbund mit der ausdrucksstarken Stimme Laynes und dem kreativen Gitarrenspiel von Jerry Cantrell nicht zu toppen, einfach perfekt. „Rooster“ hat diese düster das Album durchziehenden Vibes, Doom kann man es nicht nennen, Stoner auch nicht, vielleicht Dirt-Rock, denn erdig klingt es, rockig-metallisch, heavy und düster.

Immer, in jedem Song, geben alle Instrumentalisten alles. Und Layne, er macht aus seiner Stimme ein Instrument, das viele verschiedene Stimmungen erzeugen kann: Verzweiflung, Hoffnung, Wut, Wildheit der Jugend, Ruhe nach dem Sturm, man kann sicher sein, er trifft jeden Ton. Das gilt für das mushroomartige „Junkhead“, das orientalisch angehauchte „Dirt“ mit dem herrlich genölten Chorus, das schräge „God Smack“ oder das sägende „Hate To Feel“ mit dem überraschend dämonischen Refrain nach der zunächst eher fragenden Choruslinie. „All This Time I Swore I’d Be Like My Old Man…“ – diese Zeilen sind Legende. Und fürs Ende hatten sich ALICE IN CHAINS noch einige richtige Hits aufgespart: Die Singleauskopplung „Angry Chair“ ist von recht düsterer, bedrückender Stimmung beseelt, die Gitarren sind dunkelgestimmt und erschallen lässiger als Lee Van Cleef’s abgesägte Flinte im Duell mit Clint. „Down In A Whole“ ist vielleicht der Song, mit dem normale Viervierteltakthörer am ehesten etwas anfangen können; man könnte ihn in etwa (mit etwas Phantasie) mit den Balladen von METALLICA zuzeiten der „Black Album“- oder „Load“-Ära vergleichen. Der Chorus ist aber auch unvergesslich. Mit „Would“ beschließt noch ein virtuos komponierter Track das Album in allerfeinster Weise. Die komplexen Strukturen der Songs, die Kunst der Arrangements, das wurde so kaum je wieder erreicht. Ein Album für die Ewigkeit. Daher zwölf von zehn Punkten für dieses Monument.

01.03.2007
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