At The Gates - The Nightmare Of Being

Review

Nach dreijähriger Pause und gleichzeitig über 30-jährigem Band-Bestehen, veröffentlichen AT THE GATES Ihr siebtes Studio-Album. Der Titel “The Nightmare Of Being” klingt natürlich wie eine Warnung an all diejenigen, deren Gläser halb voll sind. Folglich lösen die Schweden im Verlauf der Platte das Versprechen ein, keine fröhlichen, weltumarmenden Songs komponiert zu haben. Im Vorfeld konnten wir bereits einen ersten Eindruck zu den neuen Tracks und der geänderten Marschrichtung der Göteborger während einer Pre-Listening-Session gewinnen, bei der die anwesenden Presse-Vertreter durchweg beeindruckt waren.

Keine Fröhlichkeit, dennoch viel Freude

Nach einem feinfühligen Auftakt an der Konzertgitarre, geht mit “Spectre Of Extinction” in gewohnter Weise die Post ab. Sofort wird klar: Die Produktion steht breitbeinig und hünenhaft auf einem Sockel von flächigen Melodien und treibenden Beats. Sänger Thomas “Tompa” Lindberg klingt hie und da ein wenig heiserer als sonst, was er selbst augenzwinkernd als “erwachsen” bezeichnet. Das Songwriting konzentriert sich auf abwechslungsreiche Arrangements, wobei die Band selbst vor schnulzigen Tremolo-Effekten, Streicher-Ensembles und Saxofon-Einsätzen keine Angst hat.

“The Nightmare Of Being” und ein Hauch von Prog-Rock

Der Titeltrack walzt im letzten Drittel eine Schneise der Verwüstung in die Gehörgänge, wenngleich Lindberg zuvor mit Sprechgesang ein kleines Wagnis eingegangen ist. Gefolgt wird das Stück von “Garden Of Cyrus”, das mit Death Metal in etwa so viel zu tun hat, wie frittierte Schokoriegel mit gesunder Ernährung. Erstmals ertönt zwischen progressiven Breaks das Saxofon und transformiert den Song zu einer Hommage an die Band-Lieblinge von KING CRIMSON.

AT THE GATES inkognito

“The Fall Into Time” skizziert wunderbar, zu welchen Ufern sich die Band aufgemacht hat. Ein geschmackvoller Stilwechsel in der Songmitte wird getragen von einem fast antiken Basslauf, während unterschwellige Bedrohungen aus den Boxen zu kriechen scheinen. Einen entscheidenden Beitrag dazu leisten Elemente wie Chorale und Paukenschläge. Das Auftakt-Riff zu “Cult Of Salvation” erinnert kurzzeitig an die Vorgängerplatte “To Drink From The Night Itself”, die bekanntlich nicht jedermanns Nerv treffen konnte.

“The Nightmare Of Being” stellt aber mitnichten ein Konsensalbum in der Diskografie der Schweden dar. Die Kompromisslosigkeit mit der AT THE GATES sich klammheimlich den Prog-Anzug mit fein eingearbeiteten Nadelstreifen angezogen haben, ist beispiellos. Freunde von OLA ENGLUND, SOEN und MESHUGGAH sind mit den zehn Songs bestens bedient, Death-Metal-Heads der ersten Stunde werden allerdings ihren Horizont erweitern müssen um sich nicht über eine vermeintliche Fehlinvestition zu ärgern.

Kein Identitätsverlust im Alter

Andererseits kann man der Band kein aufgesetztes Hipstern vorwerfen, denn dafür bedienen sich die Musiker nach wie vor ihrer prägenden Stilmittel. Von jeher verkörperten AT THE GATES nicht den stereotypischen Schweden-Death-Metal, was natürlich in erster Linie an Lindbergs unkonventionellem Bellen und Keifen liegt. Damit finden sich auch auf “The Nightmare Of Being” keine eindeutigen Trennlinien zwischen Black- und Death Metal sowie Metal-Core und Prog-Rock.

26.06.2021

Left Hand Path

Exit mobile version