Audrey Horne - Youngblood

Review

Wessen Kenntnis von Audrey Horne sich im Twin Peaks-Charakter erschöpft, die Ähnlichkeit mit dem 1976er KISS-Album „Rock And Roll Over“ aber trotzdem findet, darf sie behalten. Wessen Aufmerksamkeit dann erregt ist, sich vielleicht gar zu einem Blindkauf hinreissen lässt, darf sich spätestens nach 30 Sekunden „Cards With The Devil“ überzeugen lassen. Wer dagegen seit „Le Fol“, vielleicht schon seit „No Hay Banda“ dabei ist, und nun fürchtet, AUDREY HORNE würden sich gänzlich anachronistisch gebären, dem sei versichert: gänzlich ungeachtet der grassierenden Retro-Hysterie, die manchmal (meistens) auch nur ein Aufkleber auf der Plattenhülle ist, der zu viel verspricht, waren die Norweger schon immer Classic Rock. Born retro quasi, nur eben mit dem Vermögen gesegnet, ihre Vorliebe für Rockmusik aus der späten Mitte des letzten Jahrhunderts ins Moderne und Alternative zu hieven, ohne weder letzteres zu aufgesetzt oder prätentiös zur Schau zu stellen noch ihre Einflüsse zu sehr zu verschleiern. „Youngblood“ ist hernach so etwas wie die logische Folgerung aus seinem direkten, selbstbetitelten Vorgänger…

…hätten sich AUDREY HORNE doch mit der konsequenten Fortführung ihres Stils höchstwahrscheinlich ebenso konsequent wiederholt. „Audrey Horne“ holte das Maximum aus der Verquickung von Heute und Damals raus, „Youngblood“ trägt die Frischzellenkur schon im Titel. Man muss „Redemption Blues“ nicht einmal bis zum ersten Refrain hören, um zu erahnen, dass AUDREY HORNE den Wegbereitern heutiger harter Musik mehr Raum denn je einräumen. IRON MAIDEN, JUDAS PRIEST, KISS, THIN LIZZY, BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN und Konsorten tönen aus jeder Note, mal zusammen, mal ohrenscheinlich für sich allein stehend aber stets so eigenständig verpackt, dass Kopistenvorwürfe erst gar nicht aufkommen. Mit knackig-trockener Produktion, die jeden Kubikmeter Classic Rock-Luft atmet, der ihr gegönnt wird, schütteln sich AUDREY HORNE in vorrangig straighten Rockern mit simplen Strukturen locker-flockig einen Haufen arschcooler Riffs aus dem Ärmel, die zu maximal hymnischen Refrains mit Ohrwurmgarantie führen und nicht selten in sauber-perlenden Soli und Twin-Guitar Duellen münden. Mit grandiosen Gespür für treffsichere Hooks und Melodieorientierung leistet sich der Vierer so faktisch kaum kompositorische Schwächen.

Die Kehrseite allerdings birgt die Erkenntnis, dass AUDREY HORNE ein Stück dessen aufgeben, was sie bisher zu einem nicht unerheblichen Teil ausgemacht hat. „Youngblood“ ist luftig, unbeschwert, kokettiert mit Sorglosigkeit und ist weniger offenkundig von Melancholie getrübt, gleitet in der Bridge zu „The Open Sea“ sogar bis ins Schmonzettenhafte ab. Die Schwermut, die damals in „Firehose“, „Saily Away“ oder in brachialerer Fassung im grandiosen 2007er Triplett „Bright Lights“, „Hell Hath No Fury“ und „I Wish You Well“ herrschte, weicht einer breiten Unbekümmertheit und findet sich nur sporadisch im Titeltrack und „There Goes A Lady“ ein, vor allem aber im Übersong „This Ends Here“. Aber auch wenn AUDREY HORNE 2013 zwar lässiger und leichter beseelt als zuvor sind, tragen sie trotzdem nicht das Banner des Wohlfühl-Rocks vor sich her. Am Ende ist „Youngblood“ nämlich das, was es ist: zehn (sau)starke Hymnen, die am Ende des Jahres in etlichen Bestenlisten vertreten sein dürften und als Ansporn dienen sollen, AUDREY HORNE endlich aus ihrem Nischendasein zu entreißen. Auch mit zwei Soundcheck-Siegen der Mainstream-Presse muss das möglich sein. Wer findet, dies sei ein Hype, darf ihn behalten.

03.02.2013
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