Carpathian Forest - Black Shining Leather

Review

CARPATHIAN FOREST sind auf unserer Seite immer eher mittelprächtig weggekommen, was man angesichts durchschnittlicher Werke wie beispielsweise dem letzten Studioalbum “Fuck You All!!!!” durchaus nachvollziehen kann. Allerdings fehlen in der Übersicht auch alle Frühwerke der norwegischen Band, und die sind nicht nur in der Rückschau doch um einiges origineller. Dazu gehört das Debütalbum “Black Shining Leather”, das im August 1998 veröffentlicht wurde und das erste Lebenszeichen seit der drei Jahre zuvor wohlwollend abgenickten EP “Through Chasm, Caves And Titan Woods” war.

„Black Shining Leather“ ist originell im bizarren Sinn

Originell im eher bizarren Sinn war sicherlich das Sadomasogehabe, welches das Album wie ein roter Faden durchzieht, nachdem besagte EP noch ganz norwegisch stimmungsvoll mit Kittelsen-Artwork aufwartete. Dabei hätte man schon 1995 auf die Idee kommen können, dass CARPATHIAN FOREST mitnichten eine typische Black-Metal-Band sind, hatten sie doch damals mit dem Stück “Eclipse/The Raven” (vermutlich unfreiwillig) den Soundtrack für jeden beliebigen 70er-Jahre-Schwedenporno geliefert.

Jetzt also “Black Shining Leather” und die Erkenntnis, dass die Protagonisten Nattefrost und Nordavind nicht nur Spaß am Schminken, sondern auch an Fesselsex, der Optik von Leder und Schmerzen haben. Musikalisch schlägt diese Vielschichtigkeit auch durch, schließlich ist das Album keineswegs straighter Black Metal. Einige der Stücke haben einen starken Black’n’Roll-Einschlag und rocken ziemlich heftig durch das Unterholz: Der Titeltrack ist so ein Fall, wo der Rumpel-BM plötzlich von einem Rockriff unterbrochen wird, “The Swordmen” und “Sadomasochistic” wiederum sind mehr Rock’n’Roll mit verzerrten Gitarren und Black-Metal-Gesang als Black Metal an sich. “Pierced Genitalia”, eins der besten Stück auf dem Album, ist hingegen eine perfekte Symbiose dieser zwei Welten.

CARPATHIAN FOREST haben nicht nur Spaß am Schminken

Daneben gibt es aber auch einige langsamere Stücke, wie “Death Triumphant”, wo Keyboards die Riffs stimmungsvoll untermalen. “Lunar Nights” entwickelt sich wiederum aus einem in Zeitlupe durchdeklinierten Riff zu einem äußerst intensiven Stück. Und “The Northern Hemisphere” hat nicht nur einen universell sehnsüchtelnden Titel, sondern fährt mit Akustikgitarren nicht zu knapp BURZUMsche Atmosphäre auf. Stark.

“Black Shining Leather” ist also vielseitig – vielseitiger jedenfalls als spätere Veröffentlichungen. Und das Album stellt diese Vielseitigkeit noch einmal besonders heraus, indem häufig flottere Stücke mit atmosphärischen Songs abwechseln. Dadurch entsteht allerdings auch kein Flow und keine durchgehende Spannungskurve. Was sich auch in den behandelten Themen widerspiegelt, haben doch die “Lunar Nights” nicht zwangsläufig etwas mit Prinz-Albert und Co. zu tun. Das gesagt, haben wir aber noch nicht über den abschließenden Track gesprochen, die Coverversion von THE CUREs “A Forest”. Daraus haben CARPATHIAN FOREST eher eine Darkwave-Nummer mit geflüsterten Vocals und Drumloops gemacht. Für Trveheimer also genügend Gründe, das Stück zu hassen, aber seien wir mal ehrlich: Das Stück ist in dieser Version hochgradig originell.

Das gilt auch für “Black Shining Leather” insgesamt. Ein, zwei kleinere Durchhänger gibt es zwar, ansonsten liefert das Album aber genügend starken Stoff und mit der besagten Coverversion, “The Northern Hemisphere” und “Pierced Genitalia” einige großartige Songs, die jeweils auf ihre Art überzeugen. Um an dieser Stelle den einige Male geäußerten Vorwurf hervorzukramen, das Album würde nur mittelmäßigen Black Metal liefern: weder mittelmäßig noch notwendigerweise Black Metal – denn darauf legten es die beiden auch nicht an. Und durch diese Herangehensweise ist das Album denn auch um einiges origineller als die obengenannten Spätwerke.

02.12.2020

- Dreaming in Red -

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