Crippled Black Phoenix - Ellengæst

Review

“One thing we’ll never do is stick to the rules and stay within the box.”

So im O-Ton Fronter Justin Greaves. Bei CRIPPLED BLACK PHOENIX erwartet den Hörer das Unerwartete und ist somit ist jener wieder beim Erwartbaren Output dieser Gruppe gelandet. Im Gegensatz zu dem sehr raumgreifenden und soundtrackmäßigen „Great Escape“ gibt sich CRIPPLED BLACK PHOENIX auf „Ellengæst“ (altenglisch in etwa grob „starker Geist“, wobei jener dann böse oder gut sein kann) ein wenig reduzierter und zurück genommener, wobei das rein musikalisch und nicht unbedingt in Bezug auf Songlängen zu verstehen ist. Auch „Ellengæst“ macht fast eine Stunde voll bei acht Tracks. Für den nötigen Starglitter sorgen (hauptsächlich, aber nicht ausschließlich) Vokal-Performances von ANATHEMA’s Vincent Cavanagh, GAAHL, Jonathan Hultén von TRIBULATION, UK Newcomer SUZIE STAPLETON und mit dem ehemaligen Tourbassisten Ryan Pattterson auch ein alter Bekannter.

„Ellengæst“ ist reduzierter im Vergleich zum allumfassenden Sound auf „Great Escape“

„House of Fools“ eröffent anfangs kurz desolat mit Trompete, dann bedrohlich aufspielenden Riffs nahe am Noise, ehe sich dann zurückgenommen wird und Vibes irgendwo zwischen einer Countryversion von HEXVESSEL und einem Popduett von Vincent Cavanagh zusammen mit Belinda Kordic, die ja mittlerweile auch zum Stamminventar gehört, aufkommen. Dazu dürfen sich später wieder zu harschen Riffs ein Piano und wieder die Trompete gesellen. Die Experimente und Einflüsse vom vorigen Album sind nicht ganz verschwunden, werden aber kürzer und pointierter platziert auf „Ellengæst“ eingesetzt. Schon im Sample-Intro zum nächsten Song „Lost“ stellt sich die Frage, was jene Einführungen eigentlich auf dem weiteren Verlauf des Albums, wo sie noch ein paar mal vorkommen sollen, wirklich verloren haben. Was narrativ grob noch einen Rahmen fasst, ist musikalisch hier doch ärgerlich unterbrechend und stört den Fluss.

„Lost“, abermals mit Cavanagh an den Vocals, vermag trotz schwerem Thema und Text stimmungsvoll einzuleiten und offeriert hier auch wieder Soundtrackeinflüsse bzw. bereits von anderen Rezensenten bei „Great Escape“ attestierten Ennio Morricone-Referenzen, ist dann im Verlauf aber fast schon zu nah am Pop gebaut, gerät doch gerade der „We are“-Chorus allein ein wenig stumpf und einfach und erinnert gegen Ende im erneuten Duett mit Belinda penetrant an eine gewisse Telefonanbieterwerbung, die so im Alltag schon äußerst nervig ist. Passt auch gar nicht zur durchaus wichtigen, wenn auch etwas plakativ dargebrachten Message des Songs. Das stoische und instrumental abgespeckte „In The Night“ folgt der Lagerfeuer-Romantik ein wenig, nimmt sich mit beinahe gesprochenem Text von GAAHL gegenüber „Lost“ allerdings äußerst schroff und angenehm simpel aus, lässt im Finale allerdings wieder ein wenig mehr die Muskeln spielen.

CRIPPLED BLACK PHOENIX verbauen sich selber ein klein wenig die Möglichkeiten

„Cry of Love“ vernimmt sich ähnlich wie schon „Madman“ auf „Great Escape“ anfangs sehr am Darkwave oder wahlweise auch Postpunk orientiert, bringt später aber noch die erwartbaren Postrock-Einflüsse mit hinein. Stimmlich wird die Bühne vollständig Ryan Patterson und SUZIE STAPLETON überlassen, wobei zweitere aber ehrlicherweise als Hintergrundstimme beinahe gar nicht rausgehört werden kann, was sehr schade ist. Verpasste Möglichkeit. „Everything I Say“ wird als wohl melancholischster und schwerfälligster Song der Platte getreu mit Piano eröffnet, ehe es in im Mittelteil und Finale zu harten Riffs, Ambientpassagen und dezent dissonantem Flair kommt. Auch Zwischenspiel (-) und 11-Minüter „The Invisible Past“, dem Jonathan Hultén dann seinen ganzen Stimmumfang schenken darf, sind textlich und stimmungsmäßig wieder sehr am Wasser gebaut bevor es ins emotionale und erhebende Finale geht, vermögen aber einen guten Schlussakkord zu setzen, bevor  das Bauhaus-Cover „She’s in Parties“, dieses mal mit SUZIE STAPLETON an Gitarre und Belinda als Stimme, entlässt.

Verdikt: Durchwachsen. Dabei ist es gar nicht so die musikalische Reduzierung, die CRIPPLED BLACK PHOENIX sehr gut zu Gesicht steht, sondern eher die den Fluss unterbrechenden Samples so wie die verpassten Möglichkeiten der Gastsänger (siehe SUZIE STAPLETON) und ein paar recht gefällig daherkommende Songs, die sich trotz aller Eleganz und songwriterischer Raffinesse sehr schnell abnutzen und auch dann doch etwas über erträglicher Laufzeit komponiert sind („Lost“, „Cry Of Love“, auch das emotional groß aufspielende „The Invisible Past“). So bleibt ein gutes Album mit Potential zu einem großartigen zurück, dass CRIPPLED BLACK PHOENIX sich selber ein wenig durch so einige Designschnitzer verbaut haben. Schade drum. Jetzt zum Herbst macht „Ellengæst“ aber natürlich trotzdem sehr viel her.

12.10.2020
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