Empyrium - Über den Sternen

Review

EMPYRIUM sind eine dieser Bands, die für viele heranwachsende Metalhörer mit Affinität zum Black Metal ein treuer Begleiter war und es in weiten Teilen immer noch ist. Denn das eigene Erwachsenwerden, die individuelle Weiterentwicklung und Verfeinerung des Geschmacks, spiegelt sich ebenso im Schaffen von EMPYRIUM wider, ohne die eigenen Wurzeln, die ursprüngliche Idee, aus den Augen zu verlieren.

Zwischen gestern und heute – EMPYRIUM sind zurück

Nach dem enthusiastischen Debütalbum „A Wintersunset…“ (1996) wurde das Schaffen der Band stets reifer. Diese Entwicklung mündete in einem großen Klassiker der deutschen Musik aus dem Spektrum des Metals: „Weiland“ (2002). Auch in der Retrospektive zeigt sich die außerordentliche Beschaffenheit der Veröffentlichungen aus jener Zeit, denn alle Alben sind erstaunlich gut gealtert und auch heute noch in Gänze als umfassende Kunstwerke genießbar.

Getreu dem Motto „Willst du gelten, mach dich selten“ haben EMPYRIUM in der jüngeren Vergangenheit ihre Veröffentlichungen und Auftritte wohl dosiert. Klar, Bandkopf Schwadorf hat parallel noch viele andere Eisen im Feuer. In letzter Zeit wurde es jedoch wieder lebhafter unter dem Banner von EMPYRIUM. Einige Live-Auftritte (wir berichteten) und starke Veröffentlichungen aus dem NOEKK-Umfeld regten schon länger die Fantasie der Hörer an, ob es nicht auch ein neues EMPYRIUM-Album geben könnte. Seit „The Turn of the Tides“ (2014) sind immerhin acht Jahre vergangen – also frisch ran ans Werk.

Und damit sind wir schon mittendrin im Thema: „The Turn of the Tides“ ist das umstrittenste Album im Katalog von EMPYRIUM. Im Rückblick sicherlich ein gutes Werk, welches eine bisher unbekannte Stimmung forcierte. Im klassikergespickten Œuvre der Band konnte sich dieses fünfte Album allerdings nicht vollends durchsetzen, da sich die anderen Alben in der jeweiligen Epoche als zu gewichtig und prägend erwiesen haben.

Kann Spuren von (Black) Metal enthalten – „Über den Sternen“ taucht tief hinab

Wer sich jemals mit EMPYRIUM beschäftigt hat, wird „Über den Sternen“ postwendend zuordnen können. Denn zumeist agiert das Album in langsamen Tempi und ruhige Folk-Klänge mischen sich mit gelegentlich aufbrausenden Metal-Interpretationen. EMPYRIUM denken und handeln groß, betonen die Dramatik, das Getragene und die Gefühlswelt. Damit bleibt „Über den Sternen“ ganz EMPYRIUM und ein Erzeugnis des Weltbildes der romantischen Epoche. Der auf dem Album gottlob mannigfaltig enthaltene Gesang von Thomas Helm, die Texte und der allgemeine Ausdruck unterstreichen diese Attitüde. Wer mit dem Gesang von Helm etwas anfangen kann, erhält hier die gnadenlose Vollbedienung.

„Über den Sternen“ ist gespickt mit Volltreffern, welche jeden Freund der Band frohlocken lässt. Bereits „A Lucid Tower Beckons on the Hills Afar“ geht tief unter die Haut und sticht melancholisch ins Herz. Harsche Black-Metal-Vocals erinnern an die musikalischen Ursprünge. Danach legen EMPYRIUM mit „The Oaken Throne“ in gleicher Qualität nach. Spätestens beim metallischen „The Wild Swans“ (ja, schon wieder Schwäne) brechen dann alle Dämme. Ach ja, und dann ist da ja noch der Titeltrack, der alle Qualitäten von EMPYRIUM vereint, Früh- und Spätwerk zum Ende des Albums eindrucksvoll versöhnt. Der deutsche Text des letzten Stücks passt dabei wie die sprichwörtliche Faust aufs Auge.

Auf das Album angesprochen verrät uns MOSAIC-Frontmann und EMPYRIUM Live-Bassist Martin van Valkenstijn:

„Über den Sternen“ ist etwas worauf die Fans gewartet haben. Eine Art „Songs of Moors & Misty Fields“ Part II, angereichert mit den Essenzen aus allen bisherigen EMPYRIUM-Alben. Sei es der Dark Folk von „Where at Night the Wood Grouse Plays“ und „Weiland“, die verträumten Passagen von „A Wintersunset…“, bis hin zu den DEAD CAN DANCE- bzw. Weltmusik-Einflüssen von der „The Turn of the Tides“.

In diesem Sinne zieht „Über den Sternen“ Bilanz, verfeinert mit den Erfahrungen des langen Weges und bringt das Schaffen von EMPYRIUM zu einem neuen Höhepunkt. Es ist bemerkenswert, wie Valkenstijn hier auch die teilweise eher unterrepräsentierte „The Turn of the Tides“ einbezieht.

Auch in jeglichen technischen Belangen ist „Über den Sternen“ über jeden Zweifel erhaben. Das Album klingt fantastisch, glasklar und letzten Endes perfekt für EMPYRIUM 2021 bzw. für den Sound des Albums selbst.

„Dies geschieht mit höchster handwerklicher Finesse, sodass EMPYRIUM sich zu keinem Moment selbst kopieren, sondern ihren Stil konsequent weiterentwickeln und auch neue Elemente – wie das Hackbrett – unverkennbar, nahezu selbstverständlich in ihre Musik implizieren. Der Hörer ist vom ersten Moment an abgeholt, fühlt sich vertraut und entdeckt das Zusammenspiel der EMPYRIUM-Welten, welches es so noch nicht gegeben hat.“
Martin van Valkenstijn

Überwunden ist nun Dunkelheit, nach langem Weg in Einsamkeit.

Ja, EMPYRIUM sind zurück. Stark wie eh und je und stets flexibel innerhalb des ureigenen Fahrwassers. Die geschmackvolle Wahrung der musikalischen Identität und technische sowie kompositorische Reife machen „Über den Sternen“ zu einem ersten wichtigen Höhepunkt des noch jungen Jahres.

Appendix: Ich danke Martin van Valkenstijn  für den Austausch zu „Über den Sternen“ und die spontane Autorisierung der Veröffentlichung an dieser Stelle.

28.02.2021

Stellv. Chefredakteur

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