Faun - Von Den Elben

Review

„Eine Schande!“, „Ausverkauf!“ oder „Wie können die nur?“ war der Grundtenor in den großen Weiten der deutschen Medieval-Szene, im Internet und in diversen Redaktionen. Der Gegenwind bläst den Musikern von FAUN so stark entgegen, dass sich Fronter Oliver „SaTyr“ Pade offenbar dazu genötigt sah, ein ausführliches und ehrliches Statement zu dem abzugeben, was Ende Januar unter dem Namen „Von den Elben“ veröffentlicht wurde. Nach dem Abschluss des Universal Music Deals, welcher ebenfalls sehr kritisch beäugt wurde. Schlager oder Mittelalter-Pop? Die Wahrheit liegt wie so häufig dazwischen.

Mit zwei neuen Mitstreitern – namentlich Katja Moslehner (primär als Sängerin tätig) und Stephan Groth (Drehleier, Flöten, Cister und Backgroundgesang) – im Gepäck sucht die bajuwarische Pagan-Folk Gruppe ihren Heiland in massenkompatibleren Gefilden und erntet vorab viel Spott und Hohn für dieses Unterfangen. Dabei wird vieles heißer gekocht als es letzten Endes auch gegessen wird. Eine moderne Produktion und ein Duett mit Santiano machen noch lange keine gänzlich andere Marschroute aus, auch wenn man schon von einer Frechheit sprechen muss, wenn FAUN im Booklet versuchen, eben jenes Duett bildlich-poetisch kleinzureden. Der Teufel liegt im Detail: „[…] haben wir uns hier auf Wunsch unserer Plattenfirma einem weit verbreiteten Thema des Mittelalters gewidmet“ – dazu fällt mir wenig ein. Außer eben das berühmt berüchtigte „Wer Wind sät, wird Sturm ernten“-Zitat. Welch subtile Ironie.

Sieht man davon aber mal gänzlich ab, kann „Von den Elben“ durchaus eine gewisse Magie entfachen, was vielerlei Herkünfte hat. Zum einen ist Frau Moslehner endlich ein adäquater Ersatz für die vor einiger Zeit gewichene Elisabeth Pawelke, zum anderen wissen FAUN nach wie vor, wie sie dem Hörer eine wohlige Gänsehaut zaubern können. Zugegeben, als verkappter Massentauglichkeits-Misanthrop wird man seine Probleme damit haben, dass die Kompositionen hier eine poppigere Tendenz verfolgen, im musikalischen Kern allerdings aber haben sie nie an Qualität eingebüßt. Erstaunt war ich darüber, dass ihnen der Titel des Openers „Mit dem Wind“ nicht zig Mal im Mund rumgedreht und zum Negativen ausgelegt wurde, bietet er doch jede Menge Angriffsfläche in Bezug auf die „neue“ Ausrichtung. Schön choreografiert sind die Akustikgitarren in Kombination mit der Drehleier und seichten Flötenklängen dennoch, der Gesang trifft zudem voll ins Schwarze. Das Feuer springt dann aber erst bei den ersten Tönen von „Diese kalte Nacht“ über. Bestechend magisch, fast schon tribal agieren hier Drums und Percussion, während die Sackpfeifen, unterstrichen von SaTyrs bedächtigen Gesangslinien, eine melancholische Melodie kreieren.

Der Titeltrack schlägt dann in eine ähnliche Kerbe, ehe man bei dem bereits angesprochenen „Tanz mit mir“ beginnt, eine andere Denkweise für dieses Album zu entwickeln. Rein lyrisch kann es nicht der Anspruch einer solch begnadeten Medieval-Folk-Gruppierung sein, Passagen wie „Und später Schöne teil das Bett mit mir, teil das Bett mit mir, dass ich nicht so frier“ ins Mikro zu trällern. Aber genau mit diesem textlichen Aspekt haben FAUN auf „Von den Elben“ so ihre Probleme. Während man einst noch durch epochal-romantische Klangfarben und multikulturellen Sprachgebrauch bestechen konnte, fällt anno 2013 vor allem auf, dass man sich in diesem Bereich vor allem darauf konzentriert, von einem möglichst großen Publikum verstanden zu werden. Das nimmt dem träumerischen „Welche Sprache spricht dein Herz“ oder „Thymian und Rosmarin“ zumindest auf einer Ebene diese gewisse Tiefe, deren Verlust nicht mal von der perfekten Darbietung der Instrumente aufgefangen werden kann. Ärgerlich ist ebenfalls, dass FAUN bei dreizehn Songs nicht dazu in der Lage waren, ein Gleichgewicht zwischen eigenen Ideen und Umsetzungen bisher bekannter Songs zu schaffen. „Schrei es in die Winde“ ist ein mehr oder minder ordentliches „Omnios“ Cover der Schweizer Folk-Metal-Combo ELUVEITIE, „Minne 2013“ eine rein akustische Aufarbeitung des SUBWAY TO SALLY-Stückes (in Kollaboration mit Eric Fish) und „Andro II“ spielt zumindest musikalisch in der selben Liga wie der einstige „Licht“-Klassiker der Band selbst.

So bestehen also tatsächlich zwei verschiedene Sichtweisen auf „Von den Elben“. „Wilde Rose“, „Bring mich nach Hause“ und „Wenn wir uns wiedersehen“ zeigen, was auf volle Albumlänge möglich gewesen wäre. Ein dramatischer Aufbau, zauberhafte Melodien, einzigartige Atmosphäre – oder einfach der erste richtig nennenswerte Output seit „Totem“. Dafür stehen sich FAUN aber zu oft selbst im Weg, verlassen sich zu sehr auf bereits bestehendes Songmaterial. Trotz dessen handelt es sich hier um ein Werk, welches dem Hörer ein ums andere mal eine wohlige Gänsehaut bescheren kann, seine volle Entfaltung aber wohl erst mit den kommenden Live-Auftritten finden wird. Der Rest, also die Debatte um den Auftritt bei bekannten Schlager-Sendungen im TV, diversen Radiosendern, etc. pp – Nebenkriegsschauplätze, die keinerlei Relevanz in der Diskussion um das eigentliche Album besitzen.

08.02.2013
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