Fleshgod Apocalypse - King

Review


„Musik ist das Unsagbare.“ Friedrich Smetana

Zuckend bewegt sich der Taktstock, schnellt hektisch umher. Ein zerbrechliches Hölzchen, das energische Kreise ins Irgendwo zeichnet, gebannt verfolgt von unzähligen Augenpaaren. Ihm nachhechelnd, eine Meute, beladen mit Holz, Nylon, Bronze und Blech. Wie ein sabbernder Söldnertrupp, der nach dem nächsten Kommando giert. Ein unscheinbarer, aber doch so mächtiger Apparat, geführt von akkurater Hand. Bereit, den Sturm heraufzubeschwören – um ihn im nächsten Moment verstummen zu lassen. Alles oder nichts. Der König und das wild gewordene Orchester.

Es folgt ihm willig, lässt sich verführen. Und mit Fanfaren und Finesse fräsen sich schmetternde Lieder auf Ewigkeit in die Gehirnwindungen des in Starre staundenden Publikums. Das hässlich-grinsende Königskind, ein fieser Bastard aus Theatralik und Vehemenz. Pompöse Chöre, leichtfüßige Klavierläufe, epische Streicher, schwerer Bombast und unnachgiebiges Gehämmer – von entfesselter Wucht getragen wütet Perugias Ausgeburt voran, zerrt Hörer in die dunkelsten Grotten, nur, um sie zu trügerisch beschwingter Festmusik wieder herauszuschleifen.

„Die Furcht ist ein Zustand, der den Menschen aufhebt.“ Jean-Paul Sartre

Der unheilvollen Ouvertüre metzelt eine rasende Lautenschar hinterher, von Tausend Stimmen flankiert. Wilde Stimmen für die Ewigkeit. Wie ein Rudel aufgeschreckter Wildsäue, das durchs Unterholz wetzt, blökend und geifernd, von Todesangst getrieben. Vom tänzelnden Licht gelockt, das durchs grobe Buschwerk scheint. Die Rotte rast voran, auf der Flucht vor der lärmenden Jagdgesellschaft, deren entfernt donnernde Hörner zwischen mächtigen Stämmen widerhallen. Inmitten der blutdürstigen Entourage thront sie: des Königs steinerne Miene. Erbarmungslos, hart und doch voller Güte. Im Innern zerrissen, doch zielstrebig und klinisch präzise in ihrer Direktive. Die ergreifende Melodie von unvergänglicher Schönheit, den sanften Singsang – er trägt sie in seiner Erinnerung.

Ein Kampf mit heilendem Ausgang: Er ist vollbracht. Ein Feldzug durch zähen Morast, der langes Ringen forderte. Stolz und zu erhabenen Klängen wird die Beute ausgestellt, das Rund frohlockt in Jubelstürmen. Die eiskalten Jäger jedoch blicken kühl und rastlos auf die glitschigen Bahren, die grobe Axt im Anschlag. Galoppieren davon. Bereit, den nächsten Fang zu machen. Elende Narren.

„Zur Grausamkeit zwingt bloße Liebe mich.“ William Shakespeare (Hamlet III)

Derweil, mit festem Blick und klarer Absicht, zieht zwischen kalten Mauern das Ensemble auf. Herrschaftliche Hymnen von kalter Perfektion und schmetterndem Pathos erklingen. Des Königs Ohr lauscht weise und bedacht. Es schätzt das Einfache, das Eindeutige. Mit dem ihm gänzlich eigenen, störrischen Unbehagen nimmt er das kecke Finale wahr, unruhig und voll eigentümlicher Lust. Dem gänzlich Anderen entgegenfiebernd: der entrückten Darbietung der holden Dame, die ihm schon immer Leiden in Leidenschaft zu wandeln vermochte.

Doch er weiß: Das Herz gehorcht der Schwerkraft. Feinde lauern, kreisen wie Geier, auf den Moment harrend, ihn stürzen zu können. Doch die Tradition, das Gute, das Ewige wird überdauern. Er lächelt. Ist sich sicher, den ländlichen Tumult mit barocker Strenge zum Schweigen zu bringen. Verlangt ein letztes, gar dramatisches Lied, will sich zur Ruhe legen. Horcht andächtig, bereit zum Schlafe, zehn knöcherne Finger über makelloses Elfenbein wandern.

„Wilde Freude nimmt ein wildes Ende.“ William Shakespeare (Lorenzo in Romeo und Julia II)

Noch nie haben die Götter der Apokalypse die Oper und den Todesmarsch derart mächtig inszeniert. Der König verlangte nach Aufruhr – er sollte sie bekommen. Und während die Welt unter ihm zusammenbrach, naschte er pralle, betörende Früchte. Zwölf an der Zahl. Sah sein mächtiges Denkmal unter sengender Glut errichtet. Majestätisch, und meilenweit zu sehen. Es musste so sein. Denn er ist der König.

04.02.2016
Exit mobile version