Flight Cnclld - Safety Wire

Review

Soundcheck Oktober 2025# 20

Als jemand, der in der Reisebranche arbeitet, ist der Begriff „Flight Cancelled“ nicht gerade etwas, was man sonderlich gerne liest. Nichtsdestotrotz hat der Live-Drummer von CARPENTER BRUT, Florent Marcadet, beschlossen, sein neues Projekt FLIGHT CNCLLD zu taufen und unter diesem Namen sein Album „Safety Wire“ unter Verstärkung des Sängers Mars Carvalho zu veröffentlichen. Ob das Projekt abheben oder nach den Regeln einer selbsterfüllenden Prophezeihung gestrichen wird, erweist sich selbstredend erst nach einer gewissen Zeit und ob Marcadet damit Erfolg haben wird. Aber zumindest zum hiesigen Exponat kann eine vage Prognose gegeben werden.

Ein Projekt aus dem CARPENTER BRUT-Umfeld unternimmt seinen Jungfernflug

Dabei kann man beim Genuss dieses Albums ein interessantes Gedankenexperiment unternehmen. Denn „Safety Wire“ könnte durchaus wie die Antwort auf die Frage „Wie würden die DEFTONES klingen, wenn sie erst vor zwei Jahren gegründet worden wären?“, aufgefasst werden. Um etwas genauer zu werden: Bei der Musik handelt es sich um eine recht neuzeitliche Interpretation des Alternative Metal mit auf Knöchelhöhe herunter gestimmten Gitarren, die gern zwischen Djent-Light-Riffs und durchaus progressiver Agilität hin- und herschalten. Die dicke, wummernde Produktion wirkt dabei wie ein Klischee des modernen Metals, passt aber zugegeben irgendwie zu den tiefer gelegten Klampfen, sodass das auch vollkommen in Ordnung geht, zumal der Sound die nötige Klarheit mitbringt, um die restlichen Einflüsse in Szene zu setzen.

Dazu gesellen sich nämlich durchaus interessante Elemente wie moderne Hip Hop-Gepflogenheiten, vornehmlich der psychedelischeren Art, teilweise sogar Trip Hop – in „Te Grip“ lassen die „Kid A“-RADIOHEAD hier und da herzlich grüßen – sowie einige Latin-Einsprengsel, üblicherweise in Form von entsprechender Perkussion, die sich wie das klappernde Getriebe eines Motors ansprechend zwischen die Fugen der Rhythmik einfügt. Gesanglich wird Autotune hörbar eingesetzt, wobei FLIGHT CNCLLD dies gemäß ihrer Einflüsse weniger als Krücke und mehr als Unterstreichung der allgemeinen Atmosphärik nutzt. Sprich: Sämtliche Trveheimer und Kvltisten können spätestens hier aufhören, zu lesen. Der Rest der geneigten Hörerschaft kann sich an einem Album erfreuen, das in der Tat vieles, was Bands wie eben die DEFTONES großartig gemacht hat, in ein neuzeitliches Setting übersetzt.

Beim metallischen Kern erfreuen FLIGHT CNCLLD mit Kreativität ohne Scheu vor modernen Pop-Tropen

Dazu gehören auch einige songschreiberische Standards. „XX“ stellt das Potential der Band zur Schau, geradlinige Brecher abzufeuern, die mit kantigen Riffs und einem nicht wie zerhackstückt klingenden Rhythmus zackig auf den Punkt kommen. Generell gefällt die Ätherische Art, mit der Carvalhos Stimme förmlich durch die Songs gleitet, dabei zu rechten Zeit bei seinen beherzteren Kreischern eine etwas ungefilterter wirkende Erdung erfährt. Die Rhythmik schwingt sich obendrauf gern zu krummtaktigen, wenn auch nicht zu komplexen Höhen auf, was den Sound auf „Safety Wire“ durchhgehend interessant hält. Wenn dann die Gitarren kaskadenartig auf die Hörerschaft drein kollabieren, geht die Dynamik hinter dem Sound des Duos vollkommen auf.

Im Grunde stimmt also alles auf diesem Teil der Veröffentlichung. Bleibt zu erwähnen, dass die Platte als Doppelalbum erscheint mit den gleichen Tracks, die dann aber als Cloud-nähere Stücke komplett neu arrangiert worden sind und in denen Carvalho komplett clean drüber säuselt. Die Arrangements und Klangtexturen sprechen für sich und sind von enormer Qualität, doch das Songmaterial lässt hier vor allem an Aufregung und Gusto missen, weshalb der zweite Abschnitt eine nette Dreingabe ist und die Künste von Marcadet als Arrangeur in Szene setzt, aber wenig Halbwertszeit per se inne hat. Bedenkt man den hervorragenden ersten Teil, zieht der zweite Teil den Gesamteindruck ein wenig herunter. Aber dennoch dürfen sich Modern Metal-Nasen mit mutigem Blick über den Tellerrand hiermit eingeladen fühlen, diesem interessanten Projekt das ein oder andere Ohr zu leihen.

14.10.2025

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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