Gates Of Dawn - Lucid Dreaming

Review

Im Gothic-Bereich wird viel und gerne auf Klischees gesetzt. Doch erfreulicherweise gibt es Bands wie GATES OF DAWN, die da nicht mitspielen wollen. Die Hanauer legen mit „Lucid Dreaming“ ihr mittlerweile drittes Album vor und überzeugen einmal mehr mit Eigenständigkeit. Sechzehn Stücke und eine satte Spielzeit von 72 Minuten enthält die Scheibe. Da stellt sich natürlich die Frage, ob die Band wirklich extrem kreativ gewesen ist, oder ob das Ganze mit minderwertigerem Füllstoff in die Länge gezogen wurde.

Die Befürchtungen sind weitestgehend unbegründet. GATES OF DAWN schaffen es, sich scheinbar mühelos eine spannende Komposition nach der anderen aus dem Ärmel zu schütteln. Zwischen groovigen Mid-Tempo-Rhythmen und hymnischen Ohrwurm-Melodien zeigen sich Hits wie „Radiate“ oder das großartige „For You (The 3rd Denial)“ erfreulich tanzbar. Ein leiser Hauch von Melancholie zieht sich durch die Stücke. Immer wieder kommt der klagende Klang von Tina Thomasbergers Geige zum Einsatz, was unter dem Strich zur herrlich-morbiden Grundstimmung beiträgt.

Im Mittelpunkt steht jedoch stets der Gesang von Frontfrau Martina Lenz, der immer wieder vom Background-Gesang und einzelnen Lead-Passagen ihres männlichen Konterparts Matthias Abel kontrastiert wird. Letzterer zeichnete auch für einen Großteil von Musik und Texten verantwortlich, die er angeblich selbst zu großen Teilen während der namensgebenden Klarträume empfangen haben soll, die ihn seit seiner Kindheit begleiten. Egal wieviel von diesem Mythos der Wahrheit entspricht, was er hier so mühelos im Schlaf vollbringt ist absolut beeindruckend.

Auf den ersten Blick herrscht ein gepflegter Minimalismus in den Stücken vor. Da werden große Textteile einfach wiederholt und auch die Melodien eher simpel gehalten. Durch die vielen liebevoll gesetzten Details wird das Geschehen dennoch nie langweilig und man kann bei genauerem Hinhören immer wieder neue überraschende Einzelheiten entdecken. Die wahre Kunst der Band ist es, viele kleine Ecken und Kanten, die man andernorts als störend empfinden würde so geschickt in die Songs einzuflechten, dass aus vermeintlichen Schwächen echte Stärken werden.

Als Beispiel sei hier das großartige „Disappear“ genannt, das aus der Perspektive eines explosiven Marschflugkörpers auf dem tödlichen Weg in sein Ziel geschrieben wurde. Das Stück wartet mit einem dermaßen furztrockenen Drum-Sound auf, dass man sofort verwundert aufhorcht, jedoch schnell merkt, wie wichtig dieses Sounddetail für das Funktionieren des Gesamtstückes ist. Ähnliche Details, die über die gewohnten Klangkonventionen hinausgehen, lassen sich auch in den meisten anderen Stücken finden und verleihen dem Bandsound die nötige Würze.

Zwar findet sich zwischen den zahlreichen Club-Hymnen auch eine elegische Ballade wieder („Nobody Returns“), stilistisch und atmosphärisch schlagen die Stücke jedoch alle in dieselbe Richtung. Das ist Stärke und Schwäche des Albums zugleich, denn einerseits klingt die Truppe absolut unverwechselbar, zugleich lässt sich ob der anhaltenden Gleichförmigkeit mit fortschreitender Spieldauer ein leichter Abnutzungseffekt jedoch nicht verleugnen. Das ist aber Kritik auf hohem Niveau. GATES OF DAWN liefern auf „Lucid Dreaming“ nämlich eine absolut überzeugende Vorstellung ab und schaffen es, den Gothic-Rock mit neuen Impulsen zu versehen.

08.06.2011
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