Hideous Divinity - Unextinct

Review

Die Thematisierung unbegreifbarer Schrecken auf Hoher See mag nicht unüblich sein, aber wenn eine Band dies hinreichend eindrucksvoll und mächtig in Szene setzt, dann kann man sich davon schon einmal mitreißen lassen. HIDEOUS DIVINITY sind eine Band, die das hinbekommt, einfach weil die Italiener so sagenhaft monströs klingen, einerseits durch eine massiv klingende Produktion, aber eben auch aufgrund eines brutalen Death Metals von ausgesprochen volatiler Natur, der manchmal selbst am Rande der Begreifbarkeit zu ballern scheint. Das kann bei Erstkontakt zugegeben überfordern, wie man anhand meiner Erfahrung mit dem Vollzeit-Vorgänger „Simulacrum“ sehen konnte.

Brutalität mit Abwechslung und Atmosphäre

Der Sound der römischen Schlagetote ist also schon etwas für Fortgeschrittene. Heuer hilft hier ein gutes Maß an Atmosphäre, mit dem auf der vorangegangenen EP „LV-426“ experimentiert worden ist. Jene EP hatte den James Cameron-Klassiker Aliens zum Gegenstand und zeigte die Herren um Enrico Schettino, wie sie ihren dicht gemauerten Todesblei gelungen mit Atmosphäre befüllten, unter anderem durch das Einweben von kleineren Motiven des Aliens-Soundtracks wie in „Chestburst“. Drei Jahre sind seitdem ins Land gezogen und nun werden wir mit dem neuen Vollzeit-Biest der Italiener konfrontiert. „Unextinct“ heißt das gute Stück und knüpft stilistisch im weiteren Sinne dort an, wo „LV-426“ aufhörte.

Sprich: Es gibt monströs klingenden Brutal Death auf die Ohren, der mit Enrico di Lorenzo ein ebenso biestiges Sprachrohr hat. Und wie auf der EP werden atmosphärische Passagen nicht wie Oasen eingestreut, sondern ins Geballer integriert und dieses bisweilen leicht anschwärzt. Was den zum Teil gestört wirkenden Charakter der Musik angeht, so merkt man der Band personelle Überschneidungen beispielsweise mit ABORTED (Stefano Franceschini) oder HOUR OF PENANCE (Schettino) in gewisser Weise schon an, aber die hier gegenständlichen Italiener klingen dann doch ganz wie sie selbst. Es steckt eine wuchtige Gravitas hinter „Unextinct“, welche die Hörerschaft im ersten Moment regelrecht plättet.

HIDEOUS DIVINITY klingen wahrhaft monströs

Diese Überforderung muss man auf Empfängerseite zugegeben erst einmal überwinden. Denn der Sound, den HIDEOUS DIVINITY auf „Unextinct“ heraufbeschwören, ist extrem dicht gepackt und exzessiv laut produziert, mehr als zuletzt bei ABORTED beispielsweise. Die Kompression ist hier teilweise schon grenzwertig und droht bisweilen, sämtliche Dynamiken zu ersticken. Da empfiehlt es sich, mit dem Equalizer zu spielen und beispielsweise die Tiefen etwas herunter zu drehen, ehe man sich dieses Biest zu Gemüte füh- ach was: ehe man sich von diesem Biest überfallen lässt. Damit machen sich die Italiener weiterhin keine Freunde unter Klangästheten und begehen damit eine Wiederholungstat.

Das bleibt auf weiter Flur aber der einzige Makel hier. Denn wenn man diese dichte Wall of Sound erst einmal durchdrungen hat, beginnt „Unextinct“ langsam aber sicher, seine blutigen Fühler gen Hörer auszustrecken. Widerhaken werden entweder in Form von Melodien oder von markigen Grooves platziert, was auch bitter nötig ist. Denn das Songwriting von „Unextinct“ ist ziemlich komplex, obwohl der Sound beileibe nicht auf eine zerebrale Ebene ausgelegt ist wie etwa bei NIGHTMARER. Das macht die Verteilung von Ankerpunkten im Sound umso essentieller und die Erfahrung von „Unextinct“ angesichts des Gelingens dieses Unterfangens umso befriedigender.

Dabei bügelt „Unextinct“ seine Produktionsfalte danke seiner großen Songwriting-Stärke locker glatt

Die Intensität ist dabei konstant hoch, sodass die Italiener ihre noch so zweifelhafte Produktionsentscheidung musikalisch mehr als nachdrücklich komplementieren. Platz für Nuancen ist dennoch mehr als genug. Songs wie „The Numinous One“ belohnen aufmerksame Hörer durch die gute Entwicklung der einzelnen Motive, die immer wieder aufgegriffen werden, etwas worin auch der stimmungsvolle Rausschmeißer „Leben ohne Feuer“ extrem gut ist. Der sperrige Riffklumpen „Quasi-Sentient“ dagegen nimmt geradezu Sludge-artige Züge an hin zum Punkt, dass zwischenzeitlich mal eine faule Brise WAKE vorbeiweht. Tatsächlich kommt diese Assoziation immer wieder auf, auch später auf „More Than Many, Never One“.

Die größte Hürde für Neulinge im Klangkosmos der Band ist wirklich vor allem der Sound. HIDEOUS DIVINITY müssen halt aber auch einfach monströs klingen, sodass dieses Risiko wohl billigend in Kauf genommen worden ist. Auf „Unextinct“ gelingt dieses Wagnis einmal mehr; hier entfesseln die Italiener einen heftigen Sturm, der eine gewaltige Furche durch den Acker zieht als gäbe es kein Morgen mehr. Die Schwächen beschränken sich auf den Sound sowie einiger Drumfills, die so klingen als seien sie möglicherweise im Nachhinein digital hinzugefügt worden. Das Herz und die Seele sind auf „Unextinct“ aber intakt, sodass das Album Freunde wüsten Todesbleis wieder einmal längerfristig binden können sollte.

15.03.2024

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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