HIM - Screamworks: Love In Theory And Practice

Review

Nach dem schwermütigen und leicht progressiven „Venus Doom“, das sich aufgrund seiner härteren und damit auch kompromissloseren Gangart viele Freunde aber auch viele Feinde gemacht hat, erscheint mit „Screamworks: Love In Theory And Practice“ kurz vor dem Valentinstag das mittlerweile siebte Album der Finnen und gibt sich so leichtfüßig – fast schon lasziv in seiner Gesamtheit – wie seit „Razorblade Romance“ vor mittlerweile zehn Jahren nicht mehr. Hat Sänger Ville Valo auf dem Vorgänger die Trennung von seiner damaligen Verlobten und den Suizid eines guten Freundes verarbeitet, so steht für „Screamworks: Love In Theory And Practice“ in erster Linie eine neue Frau an der Seite des Songwriters für anregende Inspirationen und einige wunderbare Ideen.

Nach eigener Aussage weiß Valo zwar noch nicht, ob seine Muse die Frau ist, die er tatsächlich sucht, doch musikalisch kommt die Band genau auf den Punkt und schafft dreizehn in sich abgeschlossene Geschichten, die sich von dem Vorgänger nicht nur aufgrund der Stimmung, sondern auch in der Spiellänge – keiner der auf „Screamworks: Love In Theory And Practice“ vorhandenen Songs kommt über die Vier-Minuten-Grenze hinaus – grundlegend unterscheiden und eine gewisse Verspieltheit und erfrischende Spontanität an den Tag legen, die den Finnen immer schon am besten stand. So treten auch wieder die Keyboards stärker in Erscheinung, die in achtziger Jahre Manier eine Leichtigkeit an den Tag legen, die einfach Laune macht: „I’m not afraid to say I love you“ haucht Valo mit souligem Gesang im etwas cheesig geratenen Refrain von „Scared To Death“, doch gerade solche Zeilen stecken an und animieren dazu mitzusingen. Genau solche Songs sind es auch, die das Debüt („Greatest Lovesongs, Vol. 666“) zu einem unvergessenen Klassiker haben werden lassen.

Die wirkliche Stärke von H.I.M. nämlich, insbesondere nach dem Genuss dieser Platte auffallend, ist das ausgewogene Songwriting zwischen düster-romantischer Härte und zuckersüßer Cheesiness: Nicht nur die gitarrenorientierten und -dominierten, zart umschmeichelnden Melodien, sondern jedes Wort und jede Note sorgt für eine auf sich abgestimmte Atmosphäre und ein Gefühl der vertonten Poesie. So gleiten im bereits 2002 geschriebenen Titel „Disarm Me (With Your Loneliness)“ kreischende Gitarren nach einem ergreifenden Solo mit einer selbstgefälligen Leichtigkeit direkt in den orchestralen Hintergrund hinüber, die typischer H.I.M. nicht sein könnte. Etwas verkrampft hingegen klingt die Melodramatik im folgenden „Love, The Hardest Way“ oder in der rasanten Up-Tempo-Nummer „Shatter Me With Hope“, während das groß angelegte „Ode To Solitude“ mit düsteren Metal-Riffs und das bereits vorab als Single veröffentliche „Heartkiller“ mit einem Synthie-Pop-Einstieg und brachialer Rhythmusarbeit glänzt.

Neben den kolossal eingängigen Single-Kandidaten („Heartkiller“, „Like St. Valentine“) sind vor allem aber auch Breitwand-Hymnen wie „Katherine Wheel“ oder das vorwärtstreibende „In The Arms Of Rain“ verantwortlich dafür, dass sich die Band ihrer mit verschiedenen Experimenten und mehr oder weniger erfolgreichen Alben festgefahrenen Situation bewusst geworden ist und durch Authentizität und Fortführung des ureigenen Sounds endlich wieder richtig zu überzeugen weiß und in gewisser Weise zu ihren Anfängen zurückfindet.

07.02.2010
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