In Vain - The Latter Rain

Review

„Progressive Extreme Metal“ nennen die norwegischen Dunkelmänner IN VAIN ihre Musik. Das trifft es auch, denn „The Latter Rain“ ist in der Tat sehr vielseitig ausgefallen; so treffen wir auf Black Metal, Death-Licks und Growls, progressive Passagen und Rock aus den Seventies. Das Trio macht vor Experimenten nicht halt, ich frage mich jedesmal, woher Norwegen dermaßen gute Musiker hernimmt, im Grunde die besten des Nordens kommen von dort, oder? Und wenn man dann noch weiß, dass mit Jan K. Transeth (von den legendären „Strange In Stereo“-Artisten von IN THE WOODS) und Kjetil Nordhus (GREEN CARNATION / TRAIL OF TEARS) solch illustre Mitstreiter den Morgenstern geschwungen haben, um „The Latter Rain“ zu vollenden, nun, dann ist Neugierde vorprogrammiert.

„The Latter Rain“ ist ein fanfarenhaftes Intro, dass „In The Midnight Hour“ einleitet, einen überlangen, abwechslungsreichen Song, der Growls (eher OPETH like, also sanft) mit eckigem progressivem Riffing verbindet; die Textstelle „In The Midnight Hour“, erinnert die nicht absichtlich an DAVID BOWIE? Ein äußerst interessanter Opener mit Klasse-Klargesängen, einer verwegenen TYPE O NEGATIVE-Passage, die viel besser ist als Pete Steele es zuletzt mit seiner Band umsetzte, IN VAIN wildern überall, und das gekonnt. Die großartigen RED HARVEST fallen mir an dieser Stelle als Vergleich ein, aber merkt euch, IN VAIN sind dennoch anders! Auch anders als ENSLAVED oder KEEP OF KALESSIN, deren Mut zu überraschendem Songwriting sie auch mitbringen, auch deren Klasse übrigens. Denn „Det Rakner“ könnte auch ein Track sein, dem ENSLAVED huldigen würden. Der Clean-Chorus ist wieder äußerst gelungen, eine originelle Akkordfolge untermalt den Refrain. Black-, Death-, narrative Vocals, Klavier, Violine: hier wird einfach vor nichts haltgemacht, wenn es paßt, und es paßt gut.

„October’s Monody“ beginnt akustisch, Schlaggitarren gehen von Keys begleitet in ein Siebziger-Riff über, dann gibts modernere Töne, um schließlich in einen blackmetallischen, fast THY PRIMORDIAL- oder NEGATOR-artigen melodisch harschen Anfang übergeleitet zu werden; dieser Song zeigt, dass diese Band ganz ausgezeichneten nordischen Black Metal machen kann; aber auch hier gibts wieder Growls, Hammond-Klänge, ein Break wie von NICK CAVE (CASH würde seine Tolle geben, diese 70 Sekunden hören zu können, ganz sicher) dann gibts Rock, auch superb, um dann in den finsteren Forst zurückzufinden. „Their Spirits Ride With The Wind“ ist ein hymnischer epischer Track, klar intoniert, VINTERSORG wäre angetan, vor allem deshalb, weil da jemand weitaus besser als er selbst singt. Unterhalb der Sieben-Minuten-Grenze machen sie es nicht, ein kristallklares Solo wird auch beigesteuert, ebenso ein staubiges Break am Ende, das großes musikalische Können (und Wissen) offenbart. Denn „The Thorn Within“ (für alle Unwissenden: METALLICA) in akustischer Form, begleitet von einer Stimme, die eines einhundert Jahre alten Indianers würdig wäre beschließt den Song beeindruckend. „I Totally Triumf“ (schreibt sich wirklich so oder glaubt hier einer, ich mache einen Fehler?) ist wieder näher an RED HARVEST, der Refrain fast folkloristisch, ein wenig Trunkenheit wurde auch beigemischt. Und ein Saxophon, ähnlich gut eingesetzt wie bei AMORPHIS, überhaupt, diese Jazz-Sequenz ist grandios, selbst die umwerfende SILJE NERGAARD, JAN GARBAREK oder Tochter ANJA, uns bestens bekannt als weibliche Stimme auf SATYRICONS „Black Lava“, würden das behaupten, wage ich mal zu sagen. Ist ja meine Rede, wer guten Metal machen will, muss Jazz kennen und CASH, NICK CAVE und einige Blues-Götter. Sonst wird das meistens nichts; auch nicht (oder gerade) im Black Metal.

Song Nummer sieben gibts nicht auf der CD (zumindest nicht auf der Promohülle, da folgt gleich die acht nach der sechs), aber gut, auf dem Silberling gelten andere Gesetze, der siebte Track also ist auch klasse, ein weiterer hymnischer, absolut unkitschiger, mit Folklorethema unterlegter gegrowlter Rocksong atmosphärischer Art, brillant! Das Break lädt zum Innehalten ein, beim Pokern z.B. lässig über den gerade erlittenen Verlust hinwegzusehen (Hehe…). „As I Wither“ ist ein lupenreiner Black Metal-Song, göttlich! So soll Black klingen! Acht solche Songs und es gibt neun Punkte! Klirrend, gemein, astrein eingespielt, druckvoll, düster, dramatisch, wild, archaisch, puristisch, fuckin‘ well done, nice guys! „Morning Sun“ lässt nochmals innehalten, akustisch wird klassischen Vorbildern gehuldigt. „Sorgenfri“ fährt nochmals die variablen Möglichkeiten von IN VAIN auf; Death-Dark-Metal mit Ausdruck; war MILES nicht auch der Meister desselben? Hier hakelt man ein, so schnell hat man die Ideen, das Gerüst der Songs und die musikalische Umsetzung der Tracks nicht verstanden, dass man nicht neugierigerweise einen 23. Umlauf startet… das spricht für die Band. Wer die obengenannten Bands mag und AKERCOCKE gut, aber etwas zu nanotechnologisch findet, nun, der sollte IN VAIN eine Chance geben. Jeder, der selbst Musik macht, sowieso. Und sorry für das lange Review, aber IN VAIN haben genau das verdient, sich intensiv mit dieser Musik auseinanderzusetzen. Das habe ich versucht.

28.06.2007
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