Judas Priest - Invincible Shield

Review

Donnerwetter, auch nach einer über 50 Jahre andauernden Karriere schaffen es JUDAS PRIEST noch immer, Metal-Herzen höher schlagen und Zweifler verstummen zu lassen. Selbstverständlich war das nicht, nach der Parkinsonerkrankung von Glenn Tipton und seinem damit einhergehenden Rückzug vom Live-Geschehen gab es ja allerlei Diskussionen darüber, wieviel JUDAS PRIEST denn jetzt überhaupt noch in dieser Band steckt. Schon nach dem ersten Durchlauf des 19. Albums „Invincible Shield“ kann die Antwort aber nur lauten: 100%!

So verwunderlich ist das letztlich jedoch gar nicht. Denn Glenn Tipton ist trotz seiner Krankheit weiterhin maßgeblich ins Songwriting involviert und Richie Faulkner weiß nach 13 Jahren in der Band sehr wohl, wie man ein amtliches PRIEST-Riff schreibt. Auch die Rhythmusfraktion Hill/Travis sorgt tight wie eh und je für ein solides Fundament. Die Kraft und Energie, mit der „Invincible Shield“ einem dann um die Ohren bläst, ist aber dennoch ziemlich beeindruckend. Besonders Rob Halford liefert hier mit 72 Jahren eine gesangliche Meisterleistung ab, die so manchen jungen Emporkömmling in Sachen Charisma und Power ziemlich alt aussehen lässt.

JUDAS PRIEST liefern auch nach einem halben Jahrhundert noch ab

Selbst extrem hohe Schreie stellen heute offenkundig kein Problem für den Metal God dar, wie er beim Eröffnungs-Trio bestehend aus „Panic Attack“, „The Serpent And The King“ und dem Titelsong gleich mehrfach beweist. Härtetechnisch können diese drei treibenden, von bratenden Gitarren, famosen Twin-Leads und Scott Travis‘ donnerndem Schlagzeugspiel durchzogenen Stücke durchaus als „Painkiller“-Addendum verstanden werden, wobei „Panic Attack“ mit dezentem Synthesizer-Einsatz auch einen Bogen zu „Turbo“ schlägt.

Das bleiben aber nicht die einzigen Referenzen, denn im weiteren Verlauf von „Invincible Shield“ wird ein Großteil der Band-Historie zumindest tangiert. Das stampfende „Devil In Disguise“ und das mit einem fast schon lässigen Refrain versehene „Gates Of Hell“ versetzen uns stilistisch zurück in die frühen 80er zwischen „British Steel“ und „Point Of Entry“. „Crown Of Horns“ wiederum geht in die späten 80er hinein, kommt als rührselige AOR-Nummer allerdings etwas bieder daher. „As God Is My Witness“ wirkt dafür wie der kleine Bruder von „Hell Patrol“ und „Sons Of Thunder“ kann für ein Schmunzeln sorgen, da der klischeetriefende, von Gangshouts flankierte Refrain einen leichten HAMMERFALL-Touch hat. So schließt sich der Kreis.

Die beiden Midtempo-Hymnen „Trial By Fire“ und „Escape From Reality“ sorgen schließlich für eine gewisse Epik, wobei vor allem Letzteres mit einer für PRIEST-Verhältnisse ungewöhnlichen Laut-Leise-Dynamik und einer mitreißenden Dramaturgie punkten kann. Mit dem abschließenden „Giants In The Sky“ setzen JUDAS PRIEST nicht nur sich selbst, sondern auch ihren über die Jahrzehnte verstorbenen Weggefährten ein Denkmal. Hart rockende Riffs sorgen für einen gehörigen Drive, Halford unterstreicht mit rauchigem Blues-Timbre sowie erhabenen Mitten erneut sein mächtiges Stimmvolumen und am Ende sorgt ein in einen gefühlvollen Akustikpart überleitendes Solo für Gänsehaut. Lemmy und Co. wären stolz.

„Invincible Shield“ lässt eine beispiellose Karriere Revue passieren

Neue Maßstäbe setzen oder das Genre umkrempeln werden JUDAS PRIEST mit „Invincible Shield“ natürlich nicht. Müssen sie aber auch gar nicht, denn ihre Pionierarbeit hat diese Legende längst abgeleistet wie kaum eine zweite Band. Dabei haben sich PRIEST, anders als so manche Zeitgenossen, nie zu sehr auf einen bestimmten Signature-Sound eingefahren und waren zwischen ihren großen Standartwerken des Heavy Metal stets bereit, zu experimentieren und sich selbst neu zu erfinden. Alben wie das poppige „Turbo“, das brettharte Jahrhundertwerk „Painkiller“ und der etwas überambitionierte Konzeptkoloss „Nostradamus“ stehen dafür exemplarisch.

Aus dieser über ein halbes Jahrhundert gepflegten Vielseitigkeit ergibt sich mit „Invincible Shield“ nun eine ebenso abwechslungsreiche Werkschau. Diese ist im Vergleich zu „Firepower“ noch etwas tiefer in den 80ern verwurzelt, wirkt aber durch die dynamische Produktion von Andy Sneap und insbesondere durch die unglaublich flexible Gitarrenarbeit ebenso zeitlos. Vor Glenn Tipton kann man nur in tiefstem Respekt den Hut ziehen und Richie Faulkner hat sich für seine Leistung eine 1+ mit Sternchen verdient. Wir wollen jetzt auch gar nicht darüber diskutieren, ob „Invincible Shield“ ein würdiger Karriereabschluss wäre, denn in dieser Form müssen JUDAS PRIEST die 20 ja wohl noch voll machen.

11.03.2024
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