Kreator - Phantom Antichrist

Review

Steht die Veröffentlichung eines neuen KREATOR-Albums an, fühle ich mich stets wie ein kleines Kind vor Weihnachten: aufgeregt, voller Vorfreude und vor allem neugierig und gespannt, zu erfahren, ob das Objekt der Begierde auch meinen Erwartungen gerecht wird. Zwar bin ich mir im Grunde fast sicher, alles in allem nicht enttäuscht zu werden, schließlich haben die Schenker in der Vergangenheit stets Geschmack bewiesen, doch ein Restzweifel bleibt natürlich immer, ob irgendeine schrullige Tante nicht doch einen Satz Bettwäsche oder ein paar Socken unter den Baum gepackt hat, die das Gesamtvergnügen ein wenig schmälern.

Knüpft man an dieses Gefühl vor dem Hören der Platte an, so lässt sich das danach am besten folgendermaßen beschreiben: Natürlich haben mich meine Schenker insgesamt nicht enttäuscht, ganz im Gegenteil! Ich habe nicht nur bekommen, was auf dem Wunschzettel stand, sondern sogar einige Dinge, mit denen ich überhaupt nicht gerechnet habe. Das obligatorische Paar Socken blieb zwar nicht aus, fällt jedoch nicht erheblich ins Gewicht.

Das heißt in Bezug auf “Phantom Antichrist” nichts anderes, als dass KREATOR sich natürlich treu geblieben sind und ihren Fans auch auf ihrem 13. Album genau das geben, was sie hören wollen. Das beweisen Titel wie der schmissige Opener “Phantom Antichrist” oder das darauffolgende “Death To The World” ohne Umschweife. Straighter, energischer Thrash Metal, ausgestattet mit sich in die Gehörgänge fressenden Mitgröl-Refrains und dem Potenzial, live eine ganze Menschenmasse mitzureißen, so kennt man KREATOR. Doch bereits “From Flood Into Fire” zeigt, dass die Thrash-Urgesteine auch nach fast 30 Jahren noch gut für Überraschungen und Wandlungen sind. Der wohl hymnischste Track in der Geschichte der Band wartet nicht nur mit klarem emotionalem Gesang, sondern sogar einem Refrain auf, der Erinnerungen an härtere BLIND GUARDIAN weckt und in bester MANOWAR-Manier zum Fäuse gen Himmel Recken einlädt. Wer bitte hätte das gedacht?

Und “From Flood Into Fire” bleibt keine Ausnahme: Die folgenden “Civilization Collapse” und “United In Hate” sind zwar entschieden härter, jedoch im Refrain ebenso melodisch und hymnenhaft wie ihr Vorgänger. “United In Hate” wird, ebenso wie der finale Track “Until Our Paths Cross Again”, sogar von sanftem Gitarrenspiel eröffnet, das erneut an BLIND GUARDIAN denken lässt, und “Your Heaven My Hell” ist bis auf wenige Passagen gänzlich ruhiger und bietet zudem ein astreines Heavy Metal-Solo.

Auch die übrigen Tracks auf “Phantom Antichrist” überzeugen, doch leider nicht ganz ausnahmslos. Zwar findet sich auf dem Album kein einziger auch nur durchschnittlicher Song, doch die Messlatte haben sich KREATOR mit Killer-Songs wie dem Titeltrack oder “From Flood Into Fire” schlichtweg so hoch gelegt, dass einige Parts, insbesondere in der zweiten Album-Hälfte, z.B. in “The Few, The Proud, The Broken” oder “Victory Will Come”, einfach nicht mithalten können. Diese schmälern das Hörvergnügen insgesamt zwar nicht beträchtlich, schlagen sich aber natürlich in meiner Bewertung nieder. Dennoch kommt man zweifellos in Sachen Thrash Metal im Jahre 2012 nicht an “Phantom Antichrist” vorbei!

29.05.2012
Exit mobile version