Lorna Shore - Flesh Coffin

Review

LORNA SHORE aus New Jersey empfehlen sich mit ihrem zweiten Album „Flesh Coffin“ dringend für die Kategorie „Muss nachgereicht werden“. Der Sprung vom Debüt ist beachtlich, die Aussichten das Genre durcheinanderzuwirbeln sind gut. Sänger Tom Barber hat großen Anteil daran, denn die abrufbare Palette seiner Gesangsmöglichkeiten ist beeindruckend und zahlreich. Wie eine Schlange schmiegt er sich wendig um die sägenden Riffs und preschenden Takte – Barber wird eins mit dem jeweiligen Song und lässt sich komplett fallen.

Durchweg dunkle Wolken am Firmament

Das bereichert den äußerst anspruchsvollen musikalischen Teil, der weniger auf Groove und Fläche statt auf Schnelligkeit und rasante Takt-Puzzles setzt. Wobei der ein oder andere Slam die Aggression ganz straff auf Spannung hält. LORNA SHORE heben sich darüber hinaus durch äußert viel Synthiemasse ab. So lässt sich die kühle Atmosphäre und der Sound perfekt klaustrophobisch abdichten, so entsteht noch mehr angenehm beklemmende Enge. Nach 45 Minuten ist man allerdings auch entsprechend ausgelaugt, „Flesh Coffin“ zieht man sich ganz sicher nicht im Vorbeigehen oder in Dauerschleife rein.

Die Synthies schweben wie eine grausig-knochige Hand über dem Szenario von „Flesh Coffin“, einzelne Parts schwirren bedrohlich wie im Fiebertraum umher oder  mahnen starr, wie alles verdunkelnde schwarze Masse über dem metallischen Fundament. Während LORNA SHORE unten die Puppen tanzen lassen, sorgen sie also dafür, dass ständig eine gallige Stimmung im Raum hängt. Aufwendig und bedrückend wie ein klassisches Spinett-Drama sind alle Melodien erschlagend traurig, ja schon fast zermürbend.

Dadurch ergibt sich ein ansprechender Sud aus technisch-erbarmungslosem Geballer und organischer Traurigkeit. Auch die Standhaftigkeit von Drummer Austin Archey ist äußerst bemerkenswert. Emsig wie ein Kolibri nagelt er mit beachtlicher Beinarbeit jeden Song blitzschnell in seine detaillierte Form – unglaublich, wie er in „Infernum“ dem Takt absolut Sci-Fi-mäßig die Geschwindigkeit absaugt.

LORNA SHORE sind schonungslose Realisten

Inhaltlich steht der Albumtitel „Flesh Coffin“ Pate, LORNA SHORE erzählen Schauergeschichten über den Umstand, dass viele schon innerlich tot sind, während sie noch leben und das Leben zwangsläufig zum Tod führt. Resignation und die Frage nach dem Sinn stehen im Vordergrund. Tom Barber bewältigt viel Text, spickt diesen mit spitzen Schreien, die einem Dani Filth würdig sind und glänzt durch stets passende Intonation. Was LORNA SHORE noch fehlt, ist das Feingefühl für die Herstellung nachhaltiger Songs.

Es ist nicht einfach, die ganzen verfügbaren Elemente so anschaulich zu montieren, dass es einerseits technisch eindrucksvoll und noch dazu markant bleibt. Wenn LORNA SHORE aber in „The Astral Wake of Time“, „FVNERAL MOON“ oder „Denounce The Light“ das Kunststück schafft und alles perfekt arrangiert, schimmert durch, was die Band zukünftig leisten könnte. Bedenkt man, dass LORNA SHORE gerade mal ihr Zweites vorlegt, kann man grob kalkulieren, was da noch kommen könnte.

02.05.2017
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