Manes - [view] EP

Review

Beispiele für die stilistische Wandlung vom ursprünglichen Black Metal früher Tage zur elektronischen Avantgarde gibt es besonders in der norwegischen Szene einige. Prominenteste Vertreter dieser Entwicklung vom Saulus zum Paulus sind mit Sicherheit ULVER und DHG. Aber auch ihre weitaus weniger beachteten Landsleute MANES haben Ähnliches hinter sich, und haben sich vom ziemlich gesichtslosen Früh-Neunziger-BM-Klon zu einem wahren Geheimtipp in Sachen intensiver, experimenteller, aber dennoch gut konsumierbarer elektronischer Musik gehäutet. Nach ihrer 2002er Göttergabe „Vilosophe“ war es viel zu lange still um die Formation. Mittlerweile ist bekannt, dass man derzeit an zwei vollständigen Alben gleichzeitig werkelt, sodass der hier vorliegenden „[view] EP“ die klassische Überbrückerfunktion zukommt. Thematisch hat die gut halbstündige Scheibe stark reflektierenden Charakter, da neben drei Remixen von „Terminus A Quo/Terminus Ad Quem“ (im Original auf „Vilosophe“), die allesamt von befreundeten DJs stammen, vier neue Stücke enthalten sind, die sich stilistisch nicht allzu weit vom Album entfernt haben. Während die vier neuen Kompositionen äußerst gelungen sind, kann man sich bei den Neuinterpretationen – wie so oft – streiten.

„Terminus A Quo/Terminus Ad Quem“, das im Original durch seine besonderen Trip-Hop-Beats und seine ausgesprochene Eingängigkeit einer der stärksten Songs auf „Vilosophe“ ist (so man da überhaupt Qualitätsunterschiede ausmachen kann), wird dabei gleich dreimal durch die elektronischen Recyclingmühlen gedreht. Die Version des „Terminus rmx“ von DJ Don Tomaso (weder verwandt noch verschwägert;) ist noch recht gut verdaulich, da das Thema des Songs zumindest andeutungsweise erhalten bleibt und mit elektronischen Experimenten bearbeitet wird.
Cordell Klier springt dagegen ganz anders mit dem Stück um. Bei den Schlafanzugträgern von Star Trek würde es heißen „Phaser auf ‚Töten‘ stellen“. Denn was bei Herrn Klier am Ende übrig bleibt, ist äußerst experimentell geraten und nur noch entfernt mit Musik in Verbindung zu bringen. Bereits sein erster Versuch „Terminus Deconstructus“ lässt keinerlei Rückschlüsse mehr auf das ursprüngliche Stück zu, sondern ergeht sich in einem mit simplen, plakativen Rhythmen ausstaffierten Geräuschszenario, das deutliche Parallelen an die mechanischen Klangmuster von ULVERs „Perdition City“ oder auch THEE MALDOROR KOLLECTIVE aufweist. Allerdings vollkommen ohne Melodie, was ich bei einem so intensiven Stück wie „Terminus…“ sehr „mutig“ finde, um es einmal nett auszudrücken. Bei „Terminus Dei Profundis“ gehen dann aber alle Pferde mit Herrn Klier durch. Eine euphemistischere Umschreibung als „purer Krach“ geht mir dabei beim besten Willen nicht über die Lippen. Mit Störgeräusch pur, Ameisenkrieg in der Glotze oder Radioempfang im Tunnel hat man den Inhalt dieser akustischen Vergewaltigung ziemlich gut erfasst. Zwar ist dieser Remix gänzlich für’n Arsch, zum Glück ist er aber das letzte Stück auf der Scheibe, sodass man sich dankenswerterweise nicht einmal die Mühe machen muss, ihn zu überskippen.

Die vier Tracks, die von MANES persönlich stammen, sind dagegen allerdings einfach nur als genial zu bezeichnen. So hätten das atemberaubende 16 HORSEPOWER-Cover „Cinder Alley“ oder das DURAN DURAN-inspirierte „Title“ ohne weiteres zwischen „Ende“ und „The Hardest Of Comedowns“ stehen können. Diese Songs transportieren dieselbe verzweifelte Melancholie, wie sie bereits „Vilosophe“ eigen war. „The Neoflagellata Revision“ und „Knife & Kleenex“, das allein schon für seinen subtilen Titel eine Würdigung verdient hat, gehen weitaus lebendiger zu Werke, bestechen aber ihrerseits durch eine hohe Eingängigkeit. Mit Elektronika halten sich MANES vornehm zurück, ohne jedoch auf sie zu verzichten. Vielmehr sind sie so harmonisch in den Sound eingewoben, dass sie erst bei aufmerksamem Zuhören als solche auffallen.

Wer „Vilosophe“ mochte, dem werden zumindest die MANES-Stücke auf dieser EP hundertprozentig reinlaufen. Die Remixe sind Geschmackssache. Beeilen sollte man sich mit dem Erwerb der EP auf jeden Fall, da sie auf 999 Exemplare weltweit limitiert ist.

10.05.2006
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