Marilyn Manson - Eat Me, Drink Me

Review

Was wurde nicht alles über dieses Album spekuliert. Da verlässt Dita von Teese über Weihnachten einfach mit Sack und Pack das Warnersche Heim, und schon offenbart sich der Schlund, in den der Reverend dank Frau gefallen ist. (So zumindest der medienwirksam eingestreute Klatsch). Die Wunden scheinen jedenfalls tief genug zu sein, um nach gut vierjähriger Pause ein erstaunlich frisches Album aus dem Boden zu stampfen. „Frisch“ in dem Sinne, dass man es ihm anhört, dass der Großteil der Songs wohl erst in jüngster Zeit entstanden sein muss. „Frisch“ im weiteren Sinne, dass sich Mr. Manson glücklicherweise von seinen Electro-Pop-Rock-Eskapaden verabschiedet hat, die er auf dem wahrlich nicht glänzenden „Golden Age of Grotesque“ verbrochen hat. Was für ein ungehobelter Brocken das war, so rumpelig wie die bröckelnde Fassade des einstigen Posterboys des Schockrocks. Selbst die christliche Rechte in seinem Heimatland will sich nicht mehr so sehr für ihn interessieren, also war es an der Zeit, sich neuen Ufern hinzuwenden. Film und Kunst… und Frauen. Manson besingt Herzschmerz und Liebestaumel und findet dabei zu seinen alten Stärken zurück.

„Eat Me, Drink Me“ erinnert sowohl vom Gesamtklang als auch vom Songwriting sehr an „Mechanical Animals“, das Album, was damals wohl die erste große Läuterungsphase von Brian Warner darstellte. Nach dem apokalyptischen Abgesang des Antichristen auf die Gesellschaft wandelte Manson auf erstaunlich emotionalen Pfaden, zu denen er jetzt offenbar zurück gefunden hat. Der Einstieg in das Album verläuft zunächst sehr sperrig und zähflüssig – nach der langen Auszeit müssen sich wohl Hörer und Künstler erstmal wieder aneinander gewöhnen. Manson singt von der Liebe und ihren Tücken, doch weiß man beim Opener „If I Was Your Vampire“ noch nicht genau, wohin die Reise gehen soll. Erste Ohrwurmqualitäten offenbaren sich dann jedoch sehr bald mit „Putting Holes In Happiness“. Nun sind elektronische Spielereien im Hause Manson schon längst nix Neues mehr, aber die Art und Weise, wie simpel bei „The Red Carpet Grave“ die Synthesizer benutzt werden, hat irgendwie was. Auch die nachfolgenden Songs zeigen, dass bei Manson noch längst nicht der Ofen aus ist, auch wenn das, was wir auf „Eat Me, Drink Me“ vorgesetzt bekommen, eben nicht mehr so überraschen kann wie vor zehn Jahren, als sich Manson noch auf jedem Album komplett neu erfinden konnte.

„Heart-Shaped Glasses…“ ist zweifelsohne der Hit des Albums, ganz abgesehen vom marketingüblichen Dauerbombardement über Radio, TV, Myspace und sonstige Kanäle. Der Song sticht einfach heraus wie kein anderer. Trotzdem reichen andere Nummern ganz nah heran, z.B. das melodramatische „Just A Car Crash Away“ und „Are You The Rabbit?“, welches ganz stark an „Dope Show“ erinnert – zwei Songs, die auch auf „Mechanical Animals“ ihren Platz gefunden hätten. Und auch der Titelsong, die Abschlußballade „Eat Me, Drink Me“ weiß auf ganzer Linie zu überzeugen und rundet das Album gelungen ab.
Klar, hier und da erinnert das Album noch an die Kürbisse und die Nägel, doch vor allem erinnert es an die vorangegangenen Werke. Nach den klobigen und aggressiven Alben der letzten Jahre war es wohl wieder mal an der Zeit, die Wunden zu lecken, und die neue Frau an seiner Seite zu besingen. Denn nichts anderes als Liebeserklärungen an seine Angebetete sollen die neuen Songs sein. Lassen wir das einfach so stehen. Unterm Strich haben wir es bei „Eat Me, Drink Me“ mit solider Mansonkost zu tun, die deutlich besser überzeugen kann, als „The Golden Age of Grotesque“. Und glücklicherweise kommt dieses Album auch ohne Coverversion aus, denn das zählt nicht mehr zu Mansons Stärken (die Zeiten von solchen großartigen Versionen wie „Sweet Dreams“ sind endgültig vorbei, und solche mißglückten Experimente wie „Tainted Love“ und „Personal Jesus“ einfach überflüssig).

Was man sich bei der europäischen Version allerdings hätte sparen können, ist der Remix von „Heart-Shaped Glasses…“. Wozu gibt es B-Seiten auf Singles? Die eignen sich perfekt als Sondermülldeponie für ungeliebtes Liedmaterial. Der Remix hat zwar durchaus seinen Reiz, aber dennoch gehört dieser Bohlen-Mallorca-Proletentechno-Mutant zu den miesesten Remixes von Manson, die ich je gehört habe. Da ist selbst die unsägliche „Demystifying The Devil“ Bootleg-Serie stellenweise noch besser.

05.06.2007
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