Melechesh - The Epigenesis

Review

Unter dem vielversprechenden Banner des Metal-Labelriesen Nuclear Blast erscheint mit „The Epigenesis“ das fünfte Album von MELECHESH. Die Herausforderung, einen würdigen Nachfolger für das starke Vorgängeralbum „Emissaries“ zu erschaffen, wurde unter der Führung von Bandkopf Ashmedi erneut ambitioniert und energisch angepackt, und das Resultat spricht ganz klar für sich.

„The Epigenesis“ zeigt MELECHESH in einer so noch nie erlebten Ausdruckskraft, Flexibilität und Stilsicherheit. Das liest sich jetzt nach großem Lob für etwas, das den Klang von MELECHESH schon lange auszeichnete. Doch die große, alles andere überschattende Stärke des neuen Albums ist es, erstmalig die zackigen Black-Metal-Salven der früheren Alben mit der neuen, drückenderen Härte des Vorgängers „Emissaries“ zu paaren und dabei noch Raum zu lassen für sorgsam eingewobene orientalische, mitunter ausgedehnte orientalische Einsprengsel. Wo der Opener „Ghouls Of Nineveh“ noch mit einem transparenten, rockigen Groove und Leadgitarren in minimalistisch-expressiver Art überzeugt, wirbelt die nachfolgende Nummer „Grand Gathas Of Baal Sin“ mit ihrer Thrash-Note und pfeilschnellen Ausbrüchen ordentlich Wüstenstaub auf. Mit „The Magickan And The Drones“ fahren MELECHESH jedoch sämtliche Geschütze auf: ein einfühlsam intoniertes Intro leitet über zu schweren, hypnotischen Gitarrenwänden, die relativ zügig von halsbrecherischen,verspielten Riffs abgelöst werden, nur um am Ende erneut in erhabene Hypnosekunst umzuschlagen. Bei einer solchen Wucht fällt einem als Liebhaber der Band doch gerade die Kinnlade in den Schoß, und auch Leute, denen der Sound der Band weniger vertraut ist, dürften nicht schlecht schauen. „The Epigenesis“ ist voller kleiner und großer Juwelen, die nur ihrer Entdeckung harren und strotzt dabei nur so vor Klangfarben. Zwischen Ethno-Sounds, knüppelhartem Black/Thrash, schmissigem Rock-Charakter und ambientalen Ausflügen pendelt der einzigartige Klang von MELECHESH behutsam hin und her. Dabei werden die einzelnen stilistischen Zutaten mit Vorsicht und Fingerspitzengefühl eingestreut.

Mächtig ist auch der Sound, den MELECHESH in Istanbul verpasst gekriegt haben. Die Riffs klingen druckvoll und stimmig und verschlucken dabei nie das Schlagzeug, das zwischen metal-typischen Patterns und marschierenden, orientalischem Getrommel hin- und herpendelt. Der Gesang Ashmedi’s klingt übrigens bissiger und beschwörender als je zuvor, doch es dürfte in einer Weltstadt wie Istanbul nicht an Whiskey gemangelt haben, von dem Asmedi in einem Interview als Wunderwaffe für die Stimme schwärmte.

„The Epigenesis“ ist mit seinen 71:24 Minuten Spielzeit meiner Meinung nach das dynamischste und intensivste Album der Bandgeschichte und zeigt einen eindrucksvollen Spagat zwischen den Wurzeln der Band und dem neuen Klanggewand. Man hört, dass MELECHESH einen klaren Weg vor Augen haben und alles, was sich ihnen entgegenstellt, mit einem mystischen Urfeuer aus Klängen hinwegfegen. Da man sich bei MELECHESH jedoch immer wieder auf neue Sprünge gefasst machen muss, vergebe ich nicht die Höchstwertung und lasse der Band noch etwas Luft nach oben. Mir scheint nämlich keineswegs, dass Ashmedi und seine Jungs vorhaben, sich auf diesem Brocken von einem Album auszuruhen.

17.09.2010
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