Metallica - ...And Justice For All

Review

Kann man ein Album toppen, das eine ganze Szene auf den Kopf gestellt hat? Nein! METALLICA versuchen das mit ihrem vierten Langdreher „…And Justice For All“ auch gar nicht erst. Zwei Jahre nach dem wegweisenden „Master Of Puppets“ wird der straighte Thrash nahezu endgültig über Bord geworfen. Mit Neu-Bassist Jason Newsted, der den verstorbenen Cliff Burton ersetzt, bewegt sich die Band stattdessen auf progressivere Pfade.

Lange, verschachtelte Songs sind zwar wahrlich nichts neues bei der Band. Doch auf „…And Justice For All“ nimmt die Komplexität im Songwriting neue Ausmaße an. Kaum ein Song geht unter sechs Minuten über die Zielgerade. Die Gesamtspielzeit von über einer Stunde übertrifft jedes vorherige Album. Das eröffnende „Blackened“ ist der bisher langsamste Opener eines METALLICA-Albums. Trotzdem ballert der Song mit gewohnter Härte und Aggression aus den Boxen. Doch schon der Titelsong offenbart eine Vielschichtigkeit, die in dieser Form neu für die Band ist. Auch ist das Midtempo auf „…And Justice For All“ vorherrschend. Damit setzt sich eine Entwicklung fort, die sich bereits auf den vorherigen beiden Alben abzeichnete.

METALLICA verzichten auf bewährtes

Doch der größte Unterschied ist die mangelnde Eingängigkeit. Es gibt weniger Riffs, die sofort hängen bleiben. Auch an Mitgröl-Parts sparen METALLICA. Album Nummer vier erschließt sich nicht beim ersten Hören. Stellvertretend dafür steht neben dem Titelsong vor allem das hochkomplexe „The Frayed Ends Of Sanity“. Ein wenig von der früheren Eingängigkeit findet sich im stampfenden „Harvester Of Sorrow“. Speed-Fans hingegen kommen nur beim Rausschmeißer „Dyers Eve“ so wirklich auf ihre Kosten. Dafür werden musikalisch offene Zeitgenossen mit dem wunderschönem Instrumentalstück „To Live Is To Die“ belohnt. Der letzte kompositorische Beitrag von Cliff Burton ist von einer Melancholie durchtränkt, die selbst die härtesten Metaller Herzen erweichen wird. Die Halb-Ballade „One“ hingegen kennt wohl jedes (Metal-)Kind. Der Anti-Kriegs-Song verschaffte METALLICA dank seines aufwändigen Musikvideos eine Menge MTV-Rotation und katapultierte das Album zum Platin-Status.

Im Gegensatz zu seinen Vorgänger plagt „…And Justice For All“ aber ein sehr großes Problem. Obwohl wieder Fleming Rasmussen an den Reglern saß, ist die Produktion unter aller Sau. Denn im Mix wurde der Bass so leise gedreht, dass er kaum wahrzunehmen ist. Angeblich war es Lars Ulrich höchstpersönlich, der dies vom Mixer verlangte, als Teil weitreichender Mobbing-Aktionen gegen den Neuling Newsted. Ob das stimmt, sei dahin gestellt. Das Ergebnis ist auf jeden Fall peinlich. Zumal auch das Schlagzeug klingt, als wäre es aus Pappe. Dadurch lassen die Songs auf „…And Justice For All“ einiges an Druck vermissen.

Trotz einer recht krassen stilistischen Kurskorrektur, überzeugen die Songs bei METALLICA immer noch. Der Hitfaktor weicht progressiven Tönen. Somit zeigen sich die vier Thrasher wieder als eine Band, die lieber etwas neues macht, anstatt auf Nummer sicher zu gehen. Durch die misslungene Produktion bleibt „…And Justice For All“ aber der Eintritt in den Metalolymp verwehrt.

10.05.2017

"Irgendeiner wartet immer."

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