Metallica - Death Magnetic

Review

Wenn der Release eines neuen METALLICA-Albums bevorsteht, dann bekommt plötzlich scheinbar die ganze Welt lange Ohren. Weit über die Metalszene hinaus meint plötzlich jeder, auch der, der mit Metal eigentlich so gut wie Nichts am Hut hat, mitreden zu müssen. Die Medienwelt steht Kopf und plötzlich ist die böseste und grausamste aller Subkulturen offenbar gut genug, um doch die ein oder andere Schlagzeile oder einen Programmslot im „seriösen Journalismus“ zu füllen. Ganz abgesehen von der Fangemeinde, die auch 16 Jahre nach dem letzten wirklichen Metal-Album der Band und dem heftigst debattierten „St. Anger“-Geklopfe immer noch nicht die Hoffnung aufgeben hat, dass die Band um den dänischen Urheberrechts-Visionär Lars Ulrich noch einmal etwas auf die Kette bekommt, was von der großen Allgemeinheit als brauchbar eingestuft wird. Über die Qualität der Scheiben aus den 90ern durfte man streiten, vieles davon ist wie so oft in der Musik ganz einfach Geschmackssache. Die unüberlegten und übereifrigen Worte der Band, die die Metal-Fans kollektiv als dumm und intolerant abstempelten, sind bei Vielen jedoch unvergessen geblieben. Eben diese Metal-Fans sind es jetzt, die den Herren Superstars nun mit der Veröffentlichung von „Death Magnetic“ das Geld in den Arsch blasen sollen. Und schon sind allerorts wieder die heftigen Debatten zu vernehmen, ob die neue Scheibe nun der große Wurf oder der letzte Sargnagel für METALLICA sind.

METALLICA haben sich für die Produktion des neuen Silberlings Rick Rubin geschnappt, der unter Anderem mit SLAYER und SLIPKNOT bereits einige heiße Eisen im Feuer hat. Rick sollte es richten, dem Sound der Band das zurück geben, was seit den großen Erfolgen der Band irgendwie abhanden gekommen war: Die Überzeugung, Ehrlichkeit und Authentizität, die Scheiben wie „Master Of Puppets“, „Ride The Lightning“ und „…And Justice For All“ auszeichnete. „Death Magnetic“ ist, um das Fazit vorwegzunehmen, sowohl song- wie auch produktionstechnisch eine Berg- und Talfahrt, wie es sie in den letzten Jahren selten gegeben hat.

Erstaunt und freudig überrascht war ich beim Opener „That Was Just Your Life“. Zu Beginn erinnert die Nummer an „Enter Sandman“, steigert sich zu einem speedigen Thrasher in Old-School-METALLICA-Manier, einzuordnen irgendwo zwischen „Master“, „Justice“ und der Schwarzen, James Hetfield sowohl gitarren- wie gesangstechnisch in Bestform. Eine Sieben-Minuten-Nummer mit instrumentalen Ausläufern, die nicht wirklich progressiv sind, aber einen seltsam vertrauten, anspruchsvollen Anstrich haben, den man von der Band lange nicht gehört hat. „The End Of The Line“ ist sogar eine knappe Minute länger, gleichwohl auch deutlich unspektakulärer. Hier befindet sich die Bay-Area-Legende irgendwo auf unsicherem Terrain. Der Song klingt wie der Versuch, zurück zu alten Tugenden zu finden, sich kompositorisch dennoch neu zu positionieren und bewegt sich im Großen und Ganzen im Durchschnitt. Zu diesem Zeitpunkt fällt bereits der etwas seltsame Sound auf, der zwar ein ansprechendes Bauchgefühl erzeugen kann, am Ende aber dennoch irgendwie unfertig klingt. „Broken, Beat & Scarred“ lebt von der robusten Direktheit, die der Song transportiert. „What don’t kill you make you more strong“ heißt es in den Lyrics; das ist grammatikalisch zwar katastrophal, aber inhaltlich vielleicht der überzeugendste Moment der gesamten Scheibe.

METALLICA können es natürlich nicht lassen und präsentieren uns diesmal ein vollkommen überflüssiges Instrumental, das zwar genau wie die Klassiker „Orion“ und „The Call Of Ktulu“ eine Spielzeit von zehn Minuten aufweist, kompositorisch aber nicht mit ihnen mithalten kann. Außerdem haben sie mit der Single „The Day That Never Comes“ und dem abschließenden „My Apocalypse“ zwei vollkommene Nullnummern am Start und können ansonsten bei „The Unforgiven III“ oder „All Nightmare Long“ zwar für ein bestätigendes Nicken, aber keineswegs für die große Offenbarung sorgen. „Death Magnetic“ ist letzten Endes nicht die Katastrophe, die einige erwartet haben, aber auch nicht die große Auferstehung einer Legende, wie andere behaupten. Sie ist eine in Ordnung gehende bis gute Scheibe, die METALLICA in die Köpfe einiger zurückrufen wird, aber genauso ein sicheres Zeichen dafür, dass die Band ihrem Legendenstatus schon lange nicht mehr gerecht werden kann.

„Death Magnetic“ wird sich verkaufen wie blöde, schließlich sind METALLICA nicht irgendwer. Andere Bands, die mit wesentlich weniger ausgeprägtem Legendenbonus ein solch durchwachsenes Werk abliefern, sind jedoch schneller weg vom Fenster als ihnen lieb ist. Lars Ulrich kann sich glücklich schätzen, trotz seiner allgegenwärtigen Klappe eine Fanbasis zu besitzen, die ihm noch immer über eine so lange Distanz die Treue hält, und das, obwohl er selbst auf „Death Magnetic“ eine allenfalls solide Leistung abliefert. Vielleicht wird er auf dem Weg zur Bank ja mal drüber nachdenken.

12.09.2008
Exit mobile version