Motionless In White - Infamous

Review

Wut – Drama – MOTIONLESS IN WHITE – das ist Programm auf „Infamous“, der neuen Scheibe der Formation aus Wilkes-Barre/Pennsylvania. „Infamous will get us out of this genre of repetitive, monotonous bullshit“ war die Ansage von Chris „Motionless“ Cerulli im Interview mit Metal Hammer UK – und er hat Wort gehalten: Viel Metalcore ist auf diesem Album nicht übrig geblieben.

Im Vergleich zu dem Vorgänger „Creatures“ ist die Spannweite zwischen den verschiedenen Styles noch größer und extremer geworden. So ergibt sich eine ziemliche Achterbahnfahrt zwischen harten treibenden Riffs, viel Bass, elektronischen Elementen, einer beachtlichen stimmlichen Bandbreite, schaurigen, fast schon Blackmetal ähnlichen Keyboardeinlagen, einigen Tempowechseln, ruhigen und emotionalen Stellen.

Und das Ganze ist, gelinde gesagt, auch noch ziemlich fett produziert: Einmal mehr konnte Tim Sköld (ehemaliger Co-Produzent von MARYLIN MANSON) für die eine Hälfte des Albums verpflichtet werden, die andere hat der nicht minder hochkarätige Jason Suecof (ALL THAT REMAINS, THE BLACK DAHLIA MURDER, AUGUST BURNS RED) übernommen. Die Liste der nicht unbekannten Mitwirkenden lässt sich noch erweitern, da wären zum Beispiel Bjorn Speed Strid (SOILWORK), der bei „Puppets 2 (The Rain)“ mitgewirkt hat, Michael Vampire (VAMPIRES EVERYWHERE!) bei „A-M-E-R-I-C-A“ und Brandan Schieppati (BLEEDING THROUGH) bei „If It’s Dead, We’ll Kill It“. Das klingt nun zwar sehr nach namedropping – aber glücklicherweise steht in diesem Fall auch viel dahinter. Ein kurzer Querschnitt durch das Album beginnt mit „Black Damask (The Fog)“, einer Art Horror-Dani Filth meets Metalcore and Melodic Death Metal, mit dem an die „Creatures“ angeknüpft wird. Schon hier beim ersten Song wird dem Hörer die volle Breitseite an Vielseitigkeit und Können präsentiert, sowohl was instrumentales Handwerk angeht als auch Chris „Motionless“ Cerullis´ Art und Weise sich seiner Stimmbänder zu bedienen. Weiter geht es mit derben, treibenden Riffs bei „Devil´s Night“, zu dem im Übrigen auch ein Video existiert. Wieder bietet sich dem Ohr ein weites Spektrum aus cleanem Gesang, growling, screaming und Schönem aus der elektronischen Effektezauberkiste. Sehr MARYLIN MANSON lastig wird es mit „A-M-E-R-I-C-A“: Der Hang hierzu fiel auch schon bei der „Creatures“ auf, hier tritt er allerdings so deutlich zu Tage, dass wohl sogar meine Großmutter die Parallele ziehen könnte. Eins haben MOTIONLESS IN WHITE mit diesem Song aber auf jeden Fall geschafft: Mit Metalcore hat dieses Material nichts mehr zu tun, der versprochenen Bruch mit der Genretreue wurde definitiv vollzogen. Ähnliches lässt sich über „Divine Infection“, „Hatefuck“ und „Sinematic“ sagen, letzteres zum Beispiel ist dem Stil der „Mechanical Animals“ so ähnlich, dass es schon fast stört – was aber letztendlich nichts daran ändert, dass es an sich sehr feine Stücke sind. Ganz andere Töne werden in „Synthetic Love“ und „Underdog“ angeschlagen, eine interessante Synthese aus den Extremen des Albums, die wieder metallastiger klingt.

Alles in allem also ein ziemlich solide klingendes Gebräu. Der einzige Kritikpunkt der diesmal vorzubringen ist, sind die bei dieser Scheibe doch recht auffälligen Ähnlichkeiten zu MARYLIN MANSON, die sich nicht nur auf Gesangspassagen und ähnliche Effekte beschränken, sondern bis zu den mitunter gesellschaftskritischen Stil der Lyrics gehen (soweit man so etwas behaupten kann), die von der Ignoranz und Oberflächlichkeit der Amerikaner über die Kirche bis hin zu religiös motivierte Gewalttaten oder einfach der Gesellschaft an sich nichts auslassen. Natürlich machen diese Songs nur einen Teil des Albums aus und sind, wie gesagt, rein handwerklich gesehen kein schlechtes Material. Trotzdem muss man sagen: Das Projekt „anderweitige Orientierung“ ist zwar geglückt, aber einen etwas eigenständigeren Sound hätte ich mir hier teilweise schon gewünscht. Daher heißt es erst Mal: Punktabzug im Vergleich zum Vorgänger!

PS: Aber dennoch soll an dieser Stelle nicht verschwiegen werden, dass MOTIONLESS IN WHITE derzeit auf Tour sind und Anfang nächsten Jahres mit ASKING ALEXANDRIA auch in Deutschland vorbei schauen.

28.11.2012
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