My Dying Bride - A Map Of All Our Failures

Review

Glockenschläge, ein doomiges Gitarrenriff, der zerbrechliche Gesang von Aaron Stainthorpe, schließlich einzelne Geigenklänge – die ersten Momente auf „A Map Of All Our Failures“ sind ein erster Hinweis darauf, dass sich die britischen Düsterkönige MY DYING BRIDE selbst treu geblieben sind, nachdem die Veröffentlichungen seit dem letzten vollwertigen Studioalbum „For Lies I Sire“ eher experimentellen Charakter hatten: Die Ein-Track-EP „The Barghest O’Whitby“ ebenso wie das Jubiläumsalbum „Evinta“, auf dem Versatzstücke älterer Songs zu neuen Stücken arrangiert und mit klassischen Instrumenten aufgenommen wurden.

Und nun tauchen MY DYING BRIDE wieder in ihre Welt der Trauer und Verzweiflung ein – das sind jedenfalls die Eindrücke nach dem ersten Durchgang. Trotz des bisweilen flotten und giftig vorgetragenen Openers „Kneel ‚Till Doomsday“ erscheint das neue Werk zunächst langsam und beklemmend, und der Gesang drückt eine Kraftlosigkeit und Passivität angesichts des hereinbrechenden Unglücks aus. Es ist wie ein Winden im Versagen, das man nicht zu ändern vermag; es ist wie das Fügen in sein Schicksal; es ist wie die Aufgabe aller Hoffnungen. Dazu sorgsam gesetzte Geigenklänge. Und die Gitarristen verweben freudlose Harmonien, die manchmal nur noch in Rückkopplungen ausklingen. Schwer verdaulich, bisweilen sogar schwer zu ertragen.

Aber MY DYING BRIDE machen erstens keine anbiedernde Unterhaltungsmusik und sind zweitens eben auch dafür bekannt, dass ihre Alben wachsen. Man muss sich auf sie einlassen und ihnen Zeit geben sich zu entfalten. Dann offenbaren sich plötzlich Melodien, die vorher im Verborgenen geblieben sind, und zu vermeintlich zähen Passagen nickt man plötzlich mit dem Kopf. Eigentlich ist das Album gar nicht so trostlos, wie es im ersten Moment erscheint. Und wie Sänger Aaron zu Recht bemerkt, enthält es sogar Mitsing-Parts, wie beispielsweise beim schwarzen Marsch „Like A Perpetual Funeral“. Selbst die vertonte Tristesse „A Tapestry Scorned“ strahlt trotz der disharmonischen Gitarrenarbeit am Ende ein Fünkchen Hoffnung aus.

Gleichzeitig rücken kraftvollere Stücke wie „Hail Odysseus“ mehr in den Fokus – und hier möchte man nicht nur mitsingen, sondern gleich die Faust recken. Allerdings sind solche extremen Passagen auf dem Album vergleichsweise rar gesät: Da gibt es mal einen eruptiven Ausbruch mit Blastbeats beim Opener „Kneel ‚Till Doomsday“, mal ein death-doomiges Zwischenspiel mit Grunzgesang („A Tapestry Scorned“), mal walzendes Tempo (das genannte „Hail Odysseus“).

Somit lebt auch „A Map Of All Our Failures“ wie fast alle Alben von MY DYING BRIDE vorwiegend von seiner Wirkung und erfordert dabei alle Aufmerksamkeit vom Hörer. Das ist manchmal ein erschöpfender Prozess, aber am Ende fühlt man sich befreit, ja sogar beschwingt – wenn man nicht schon bei einzelnen Songs mitgesummt hat. Was Kollege Norman einst zu „A Line Of Deathless Kings“ so treffend formulierte, trifft somit auch auf „A Map Of All Our Failures“ zu: Das Album „schmerzt, fordert und berauscht zugleich.“ Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen.

19.10.2012

- Dreaming in Red -

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