My Dying Bride - The Angel And The Dark River

Review

Die Kost, die einem hier aus dem allzeit verregneten England geboten wird, ist alles andere als eine Fortsetzung der Frühwerke der Doom-Götter. Textlich bewegt sich das Ganze sicher auf dem Niveau der älteren Scheiben, wie dem Vorgängeralbum Turn Loose The Swans aus dem Jahre 1993. Aber dazu später mehr, weil die Texte eine nähere Betrachtung verdient haben. Was allerdings das Kompositorische angeht, hat man die Death-Metal Wurzeln fast komplett ad acta gelegt und wandelt auf bis dato recht untypischen wegen, die sich dem Hörer nicht gleich erschließen und wohl den Großteil gleich am Anfang abschrecken werden. Diejenigen aber, die sich die Mühe machen dieses Album auf sich wirken zu lassen, es in sich aufnehmen und verstehen wollen, werden mit einem Meisterwerk belohnt, das an Tristesse und Schwermut kaum zu überbieten ist. Schon der Opener „The Cry Of Mankind“ mit seinen über 12 Minuten raubt einem die Luft zum Atmen. Ein einziges Riff, welches den ganzen Song begleitet, vermag es eine Atmosphäre zu schaffen, die den Boden unter den Beinen zu einer zähflüssigen Masse werden lässt. Gepaart mit den beinahe lakonisch eingesetzten Voclas des Sängers Aaron Stainthorpe, der sich für alle Texte verantwortlich zeichnet, und dem melancholischen Keyboard steigert sich der Song zu einem tagverdunkelnden Kunstwerk. Der zweite, nicht minder schwerfällige Song mit dem Titel „From Darkest Skies“ beginnt mit einem Bassolo, das von der bandtypischen Violine begleitet wird. Bei diesem Stück brennt sie sich beinahe unmerklich in die Gehörgänge, dies aber auf eine Art und Weise, die es selbst nach dem unzähligsten Durchlauf noch ermöglicht den Song nur der Violine wegen neu zu entdecken. Die Gitarren verzögern das Ganze immer wieder bis zu einem Punkt, der den Hörer aufhorchen lässt, um dann wieder von der Schwere der Gitarren erdrückt zu werden. Das nächste Stück „Black Voyage“ schickt einen musikalisch auf einen nachtschwarzen Pfad. Aarons Vocals ähneln bei diesem Stück mehr einem Sprechgesang, der immer wieder durch herzzerreißende Violinenparts unterbrochen wird. Gegen Mitte verlangsamt sich der Song immer mehr und quillt wie zähflüssige Lava aus den Boxen. Gitarren Schlagzeug und Gesang bilden dabei eine untrennbare Einheit und machen aus dem Ganzen das wohl doomigste Stück auf der CD. Das anschließende „A Sea To Suffer In“ ist das wohl inhaltsreichste Stück der Platte. Hier werden Stilelemente aller Songs der Scheibe miteinander verwoben, wobei der Zuhörer immer wieder durch, im Gesamtkontext gesehen, recht schnelle Passagen überrascht wird. „wo Winters Only“ beginnt sehr minimalistisch, nur geprägt von einem herrlichen Gitarrenriff und der hier, zur Abwechslung, fast warm erscheinenden Stimme Aarons. In diesem Song entfaltet sich die ganze Schönheit, die My Dying Bride ausmacht. Beinahe 4 Minuten wird man hier auf eine Reise durch die Gefühlswelt des Sängers mitgenommen. Stück für Stück stimmen die restlichen Instrumente wieder mit ein um bei 7:30 min (ich muss hier einfach eine genaue Zeitangabe machen da dieser Moment, so kurz er auch sein mag, solche eine Intensität birgt, dass es mir selbst nach dem x-ten Durchlauf Schauer über den Körper jagt) förmlich zu explodieren. Selten habe ich solche eine Tragik in einem Song erlebt. Mit „Your Shameful Heaven“ ist auf dem Album auch ein Stück vertreten, das immer wieder die härteren Parts, bekannt aus den alten Tagen der Band, gekonnt mit den sehr ruhigen und melacholischen Passagen des aktuellen Longplayers verbindet. Da hier das limitierten DigiPack besprochen wird, ist darauf noch das Stück „The Sexuality Of Bereavement“ enthalten. Um es gleich vorwegzunehmen hierbei handelt es wirklich nicht nur um ein durschnittliches B-Seiten Stück wie es die meisten Bands oder sagen wir lieben Plattenfirmen, gerne auf den Silberling pressen um die Verkaufszahlen anzukurbeln. Stilistisch bewegt sich das Stück voll auf den Pfaden der Klassiker der Band wie „Turn Loose The Swans“ aus dem Jahre 1993 oder dem Debut „As The Flower Withers“ von 1992. Hier bekommt man Death-Doom vom Feinsten geboten. Der extreme Kontrast der doch so fragil wirkenden Violine mit den wohl beeindruckendsten Growls im Doom Bereich, machen den Song zu einem ganz besonderen Erlebnis. Ich kann es nur jedem wünschen, dass er die Scheibe im DigiPack ergattern kann, weil dieser Song, wenn er auch nicht in das Konzept des Albums passt einen Höhepunkt des Schaffens der Band darstellt. Dieses Album ist ein Meilenstein im Doom-Bereich und nur eine logische Weiterentwicklung der Band, die sich auf dem Album musikalisch geschlossen wie nie präsentiert. „The Angel And The Dark River“ ist der Windhauch der fehlt, um von einer Klippe in den Tod zu stürzen – Tragik, Emotionen, Leid und Trauer – ENDE.

04.09.2003
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