Ne Obliviscaris - Citadel

Review

Manchmal stolpert man über eine Band und fragt sich, wie etwas so Gutes so lange innerhalb seiner eigenen Sphäre existieren konnte, ohne dass man etwas davon mitbekommen hat. So erging es mir erst kürzlich mit den Australiern NE OBLIVISCARIS. Zugegeben, der Name ist sperrig und die lateinische Sprache in der Bandbezeichnung ist im extremen Metal ungefähr so innovativ wie das vorangestellte „The“ im Indie-Rock. Dennoch, wenn es in dieser Welt noch ein kleines bisschen fair zugeht, steht diese Truppe am Anfang von etwas Großem.

Ein Name, der in den Kommentarspalten unter NE OBLIVISCARIS-Videos häufig zu lesen ist, gehört einer schwedischen Band, die sich in den letzten Jahren mehr und mehr dem reinen Progressive Rock zugewandt hat. Die gezogenen Parallelen zu OPETH beziehen sich folglich vor allem auf die Frühphase von Åkerfeldt und Co. Dabei gehen die Australier noch wesentlich heftiger und schneller zu Werke, nicht selten wird in rasenden Black Metal-Gefilden geholzt. Abwechslung gibt es in Form melodischer Passagen, unverzerrter Intermezzi und dem großen Trumpf: der Geige. Dieser werden dabei beeindruckende Spielräume zugestanden und sie fungiert stellenweise als zweite Leadgitarre. Auch gesanglich wird ein breites Spektrum von Growls über Shouts bis zu opernhaftem Klargesang aufgefahren. Ihre Instrumente beherrschen alle Bandmitglieder meisterhaft. Technisch gibt es hier absolut nichts auszusetzen.

Bereits der Vorgänger „Portal Of I“ wurde enthusiastisch abgefeiert. Auf Metal.de gab es satte neun Punkte. Besser kann ein Debütalbum eigentlich kaum rezipiert werden. Die Frage stellt sich automatisch: Wie kann man als Band nach einem solchen Werk noch zulegen? Und muss man es überhaupt?

„Citadel“ ist nicht zwangsläufig besser als „Portal Of I“, aber es wischt jegliche Befürchtungen eines Glückstreffers beim Debüt gnadenlos vom Tisch. Die Tatsache, dass der vorab ausgekoppelte Song nur ein Ausschnitt aus „Painters Of The Tempest (Part II) Triptych Lux“ ist, ist bezeichnend für den Charakter des Albums als Gesamtwerk. „Citadel“ ist eine sphärische Reise, eine gewaltige Komposition, und sollte als solche betrachtet werden. Drei der sechs Songs sind instrumentale Zwischenspiele zwischen unheimlich und bedrückend („Painters Of The Tempest I“) und folkig und getragen („Painters Of The Tempest III“). Das Verbleibende ergibt zusammen fast vierzig Minuten Achterbahnfahrt. Diese meint hier kein ADHS-Gespringe zwischen mehr schlecht als recht aneinandergekleisterten Parts, sie meint auch keine Höhen und Tiefen. Einem Song wie „Painters Of The Tempest“ in Gänze zu lauschen ist einfach ein erhebendes, mächtiges Gefühl.

Ob die warmen Bassläufe, das alles niederwalzende Schlagzeugspiel, die Riffs, der variable Gesang oder immer wieder die Geige, ob Hochgeschwindigkeitsraserei oder erhabene Melodien, es fügt sich alles ineinander. Es gibt Passagen, vor denen möchte man einfach nur niederknien.

„Citadel“ beweist endgültig, dass wir es bei NE OBLIVISCARIS mit einem der spannendsten aufstrebenden Extreme Metal-Acts unserer Zeit zu tun haben. Dass Australien musikalisch mehr zu bieten hat, als nur AC/DC und NICK CAVE, zeigen die surfenden Honigkuchenpferde von PARKWAY DRIVE bereits seit Jahren. NE OBLIVISCARIS klingen so gar nicht nach Strand und BBQ und dennoch oder deshalb einfach fantastisch. Eine weitere Hoffnung für den Metal der Zukunft.  

30.10.2014
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