Night In Gales - Dawnlight Garden

Review

Der Trend, sich auf seine Ursprünge zu besinnen, zu überlegen, was den eigenen Sound, vielleicht sogar ein ganzes Genre früher einmal so spannend gemacht hat, zieht sich mittlerweile durch alle Metal-Subgenres. Auch NIGHT IN GALES gingen vor zwei Jahren mit „The Last Sunsets“ diesen Weg – ein Album, das von nicht wenigen als Comeback-Scheibe gesehen wird, obwohl die Kölner ja eigentlich nie so richtig weg waren. Nicht nur Ur-Sänger Christian Müller, der davor lediglich auf der Debüt-EP „Sylphlike“ zu hören war, kehrte zurück, sondern auch die Konzentration auf die Death-Metal-Wurzeln und einen wesentlich ursprünglicheren Sound. Ein Weg der, so viel sei schon einmal verraten, auch auf „Dawnlight Garden“ konsequent weiter verfolgt wird.

NIGHT IN GALES – Melodisch angepisst

Schon kurz nach Verklingen des Intros wütet Christian Müller ordentlich los und klingt dabei noch ein wenig angepisster und damit zwangsweise auch noch ein klein wenig mehr nach Tompa Lindberg, als auf dem Vorgänger. Auch das Riffing und die düstere Grundstimmung der Abrissbirne „Beyond The Light“ hätte den Song zum heißen Kandidat für das letzte AT THE GATES-Album „To Drink From The Night Itself“ machen können. Nein, das ist kein Vorwurf, die Band keinesfalls eine bloße Kopie. Denn, der Beginn des Titeltracks erinnert wiederum unweigerlich an DARK TRANQUILLITY in ihrer neueren Schaffensphase. NIGHT IN GALES schaffen es aber, dieses Trademark-Riff in ihren viel roheren Sound einzubinden, praktisch die Verbindung zwischen damals und heute zu erschaffen, was den Göteborgern um Mikael Stanne heute nur noch selten gelingen will.

Eines wird auch recht schnell deutlich: So sehr das Gaspedal auch durchgetreten wird, Fronter Müller sich in Rage schreit, so stark fällt aber dieses Mal auch der Kontrast aus. Denn, im Vergleich zum Vorgänger wurde noch mehr auf großartige, teils sogar epische Melodiebögen gesetzt, die sich nicht nur perfekt in die Songs einfügen, sondern diese ungemein bereichern. Beispielhaft sei hier das fantastische Finale des Titelsongs erwähnt. Die Rheinländer schrecken dabei übrigens auch nicht davor zurück, in Songs wie „Winterspawn“ mittels Tremolo-Picking einmal kurz in Richtung Black Metal á la DISSECTION abzubiegen, ohne ihr Sound-Grundgerüst dabei wirklich zu verlassen.

Atmosphärische Einschübe, wie zu Beginn von „Kingdom“, mit deutlich gedrosseltem Tempo, sorgen im Übrigen zwischendurch immer wieder für Auflockerung, bevor es kurz darauf wieder ordentlich auf‘s Maul gibt. Auch die Playlist wurde geschickt gewählt, denn immer dann, wenn man glaubt, langsam alles gehört zu haben, kommen NIGHT IN GALES wieder mit einem absoluten Highlight wie „A Spark In The Crimson Eclipse“ um die Ecke.

Vielleicht einziger Kritikpunkt ist die oft ähnliche Herangehensweise an die Songs, die im Laufe der Spielzeit, die erfreulich knackig gehalten wurde, manchmal ein Gefühl der Sättigung aufkommen lässt, auch ein wenig durch die etwas limitierte Intonierung des Fronters begünstigt. Dieses Manko kann aber die durchweg hohe Qualität des Songmaterials durchaus ausgleichen.

Auf Augenhöhe mit großen Namen – „Dawnlight Garden“

Während Genre-Mitbegründer wie IN FLAMES und ein Stück weit auch DARK TRANQUILLITY mittlerweile in andere Richtungen abgedriftet sind, bieten sich für Liebhaber des ursprünglichen Melodic Death Metal endlich wieder Alternativen. Ist das alles 100% eigenständig? Vermutlich nicht. Wenn man aber die Stärken eines Genres so gut zusammenfassen kann, wie NIGHT IN GALES das auf ihrem siebten Studioalbum tun, kann das eigentlich kaum ins Gewicht fallen.

Für jeden, der Melodic Death mit ordentlich Knüppelei und Raserei, aber auch einer ordentlichen Portion Düsternis verbindet, für den gehören neben aktuellen AT THE GATES definitiv auch NIGHT IN GALES zum Pflichtprogramm. Mit „Dawnlight Garden“ müssen sich die Kölner vor den Göteborgern keinesfalls verstecken, sondern sind zumindest aktuell absolut auf Augenhöhe.

19.07.2020

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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