Nightfall - At Night We Prey

Review

Nach seinem (gelungenen) Ausflug mit THE SLAYERKING hat Efthimis Karadimas seine alte Band NIGHTFALL reaktiviert. Die veröffentlichen nach einer achtjährigen Pause jetzt ihr zehntes Studioalbum „At Night We Prey“. Dabei präsentieren die Griechen einen aufgeräumten (Dark-) Metalsound, wohingegen die letzten Alben geradezu verschwenderisch arrangiert waren.

Doppelte Rückkehr für NIGHTFALL

Einen großen Anteil daran dürfte die neue Formation mit Gründungsmitglied Mike Galiatsos an der Leadgitarre, Fotis Benardo (ex-SEPTICFLESH) als Drummer und Produzent sowie Kostas Kyriakopoulos an der zweiten Gitarre haben, während sich der Frontmann zusätzlich zum tiefen, keifenden Gesang wieder den Bass umhängt. Keyboards bleiben diesmal also eher außen vor. In dieser reduzierten Formation hat das Quartett mit „At Night We Prey“ ein düsteres und hartes Album erschaffen, das – bei NIGHTFALL ist das aufgrund der abwechslungsreichen Diskographie ein notwendiger Hinweis – meistenteils im Death Metal zu Hause ist.

Die Songs werden dabei sehr von den sich ergänzenden Gitarren geprägt, welche die Stimmung vorgeben, die zwischen melancholisch, dramatisch, düster und heimtückisch lauernd pendelt. Einzelne Ausbrüche hieraus sind das mit militärischer Präzision geriffte „Darkness Forever“ sowie das fast schon positiv klingende und melodische „Martyrs Of The Cult Of The Dead (Agita)“, bei dem man lauthals mitgrölen möchte. Ein Fokus bei den Arrangements lag diesmal ganz offensichtlich bei den Rhythmen, und „At Night They Prey“ spielt ziemlich offensiv mit Tempoverschärfungen: Man höre sich beispielsweise den Track „Witches“ an, der zunächst ein gemächliches Tempo vorgibt, bis Fotis Benardo Blastbeats einstreut (bei denen man freilich weiterhin mit dem Kopf mitnicken kann).

Ein weiterer Aspekt des Albums sind die trotz des kompakteren Bandssounds doch ziemlich deutlichen Stimmungsschwankungen: Da gibt es mal scharfes Metalriffing, dann wieder träge Griffbrettverschiebungen und melancholische Melodien, da gibt es mal beschwörenden, mal befehlenden weiblichen Gesang, und durchgehend das finstere, abgründige Keifen aus der Kehle von Frontmann Efthimis Karadimas.

Inhaltliche Klammer des Albums: Depressionen

Der erklärt die Kontraste mit der inhaltlichen Klammer des Albums, seinem Kampf mit Depressionen. Er sagt: „Dieses Album besteht aus Wut und Hoffnung. Wut über all diese Stereotypen, die sich um ernste Themen drehen, die alle betreffen, wie Depressionen; und Hoffnung, dass sich die Dinge zum Besseren ändern.“ Weiter führt er aus: „Die Musik in diesem Album folgt nicht einem linearen Muster, sondern versucht, das gesamte Spektrum der Stimmungsschwankungen zu erfassen, die man in diesem Zustand erlebt. Es ist eine Mischung aus schnellen und langsamen Teilen, schweren und schwereren Passagen, in einem natürlichen Fortschritt von Anfang bis Ende.“

Die Botschaft ist also ein wichtiger Bestandteil von „At Night We Prey“, die aber ins Leere laufen würde, wenn die Songs nichts taugen würden. Zum Glück trifft das Gegenteil zu: Die Lieder sind ganz vorzüglich und bestehen auch den Abnutzungstest. Sei es „Killing Moon“ mit seinem epischen Refrain, sei es das harsche „Darkness Forever“, das nach einem Break unvermittelt melodisch endet, sei es das heimtückisch raunende „Witches“. Und „Temenos“ dürfte mit seinen folkigen Einsprengseln sogar alten NIGHTFALL-Fans munden. Mein persönliches Highlight neben „Martyrs Of The Cult Of The Dead (Agita)“. Aber man merkt allen Songs an, dass jedem etwas Besonderes innewohnt, jeder seinen eigenen Charakter hat.

„At Night We Prey“ ist ein Grower (mit Belohnung)

Besteht also Grund, das Album nicht über den grünen Klee zu loben? Nein, eigentlich nicht, denn dass „At Night We Prey“ ein Grower ist, ein Album, für das man als Hörer ein wenig Zeit investieren muss, um letztlich mit Stimmungen, Hooks und Melodien belohnt zu werden, ist kein Nachteil. Einzig das Finale mit dem Titeltrack und dem abschließenden „Wolves In Thy Head“ klingt ein wenig überladen – ersterer mit seinen tieftraurigen Gitarren im Stile von MY DYING BRIDE wäre schon ein formidabler Abschluss gewesen. Aber das ist letztlich Jammern auf hohem Niveau. Viel schöner ist doch vielmehr, dass NIGHTFALL ein standesgemäßes Comeback feiern, mit dem sie sich wieder auf der Metallandkarte platzieren und mit dem sie außerdem einiges zu sagen haben.

07.03.2021

- Dreaming in Red -

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