Obscura - Diluvium

Review

Ein neues Album von OBSCURA, das vierte in einem Albumzyklus, der mit dem Zweitwerk „Cosmogenesis“ begonnen hat – die Zeichen stehen auf großen Progressive Death Metal, sodass schon der Pressetext mit Prädikaten wie „groudbreaking polyrhythms“ um sich wirft. Schon der Vorgänger „Akróasis“ verzückte mit seiner ausgeklügelten, in das Metaphysische hineinreichende Beschaffenheit, welche die Grenzen des Albums per se zu überwinden suchte. Oder stieß eben jenen Todesmetallern vor den Kopf, die sich lieber amtlich von grimmigen Riffs und grimmigeren Growls bestialisch durchnehmen lassen. Ja, das rein gutturale geht OBSCURA natürlich ein wenig ab, und das vorweg: Auf dem neuen, hier vorliegenden Album „Diluvium“ ändert sich das nur marginal.

Dennoch bringt das neue Album der Landshuter eine erfrischende Änderung mit sich, die zumindest unsereins so gar nicht erwartet hätte: Es stellt die Progressivität als solche ein wenig hintenan und möchte zuvorderst ein zwar technisch hochwertiges und kompositorisch vielschichtiges, dennoch vor allem melodisches und zupackendes Death-Metal-Album sein. Gleichzeitig sucht es aber, den OBSCURA-Trademark-Sound weiterhin zu bedienen, was sowohl die ausgeklügelten Riffs des Gespanns Kummerer/Trujillo als auch das genüsslich-jazzige Fretless-Geblubber von Linus Klausenitzer mit einschließt. Beide Aspekte zu jonglieren will natürlich erst einmal gelernt sein. Aber das ist nichts, was Steffen Kummerer und Co. nicht hinbekämen.

OBSCURA wissen: Weniger ist mehr

Und siehe und höre da: Es funktioniert! „Diluvium“ erfreut sich einer enormen, lebhaften Eingängigkeit dank eines Songwritings, das rasch auf den Punkt kommt und Melodien und Grooves epochal ausufernden, sterilen und durchkalkulierten Frickel-Orgien vorzieht. Durch seichte Riff-Gewässer watet „Diluvium“ deswegen jedoch noch lange nicht. Beides macht der Opener „Clandestine Skies“ gleich eindrucksvoll klar. Es geht flott und ohne Intro los, die Riffsalven setzen unmittelbar ein und bringen dank nachvollziehbarer Melodieführung einen geradezu vertraut wirkenden Hauch Göteborg mit. Die Furiosität und technische Versiertheit macht hier jedoch den entscheidenden Unterschied, wie auch die Verbeugung vor den frühen CYNIC dank Vocoder-Vocals.

Noch ein Punkt in Richtung Eingängigkeit bei weiterhin hohem Anspruch fügt die Rhythmik hinzu, die erstaunlicherweise durch Geradlinigkeit glänzt. Doch die geraden Takte erlauben den Riffs, ordentliches Groove-Momentum aufzubauen, was die Gitarren auch erschöpfend ausreizen. Vor allem in Geschwindigkeiten und Harmonien variierend verleihen Steffen Kummerer und Rafael Trujillo den Songs dank ihres akzentuierten (Zusammen-)Spiels eine Menge Dynamik, stopfen mal unzählige Noten in einen einzelnen Takt hinein, lassen die Riffs dann an anderer Stelle bedrohlich dahinstampfen und -grooven, dass der Nacken praktisch wie von selbst bricht. Ein schönes Wechselspiel aus beidem bietet „Mortification Of The Vulgar Sun“. Die Musik der Landshuter hat das Leben gelernt, so scheint es.

Denn auch Tech-Death-Gurus können Spaß haben und machen

Fürwahr: „Diluvium“ bevorzugt den Kopf weniger in den Wolken und den Arsch mehr in der Hose. Und dort tritt der todesbleierene Stiefel auch mit Wonne hin, besonders dann, wenn es wie in „Ekpyrosis“ einfach nur wie sau rockt. Generell hat „Diluvium“ eine erfrischende Leichtigkeit inne, die den Genuss des Albums recht leicht machen. Allein der Rausschmeißer fällt im positiven Sinne aus dem Rahmen. Er bringt die zu Beginn hinten angestellte Progressivität für ein furioses, dramatisches Finale zurück. Doch an letzter Stelle der Trackliste ergibt das Sinn. Da kann man schon mal alle songschreiberischen Register ziehen.

Wem sich angesichts technoiden Gefrickels die Fußnägel empor rollen, dem kann natürlich auch mit diesem Album nicht geholfen werden. Denn auch wenn OBSCURA deutlich zugänglicher geworden sind als auf dem Vorgänger, so klingen sie eben doch ganz wie sie selbst. Und das bedeutet, dass der Death Metal hier vor allem technischer Natur ist. Doch schmieren die Landshuter ihren Hörern die eigene Progressivität längst nicht mehr so penetrant aufs Brot. Insofern stellen sich OBSCURA auf „Diluvium“ als merklich entschlackt dar. Der Lohn ist ein Album, das als der geradlinige Gegenentwurf von „Liquid Anatomy“ richtig Spaß macht. Man mag wie eingangs erwähnt die dem Death Metal üblicherweise innewohnende Wildheit missen, bekommt dafür jedoch ein hochwertiges Death-Metal-Album mit Charakter und Geschmack serviert.

13.07.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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