Rivers Of Nihil - The Work

Review

Es gab für das letzte und auch wahrscheinlich bis dahin musikalisch ausgereifteste Werk „Where Owls Know My Name“ von RIVERS OF NIHIL ja Widerrede gegen die Punktevergabe in der Review und auch wenn ich mittlerweile die Note sogar hochsetzen würde, bleibe ich bei meinen im Text geäußerten Kritikpunkten. Die progressiven Parts wirkten noch ein wenig ungeschickt eingewoben und das Album als Gesamtkonzept lief etwas unrund, kurz es konnte nicht so schön „fliessen“. Wir sind beim Albenzyklus mit dem neuen Werk „The Work“ mittlerweile beim Winter angekommen. Und Mannomann, dieses neue Album fließt nun mittlerweile, nein wirklich, es fließt, panta rhei. Paradoxerweise all das trotz noch gesteigerter Experimentierfreude und Ausdehnung auf über eine Stunde Spielzeit.

„The Work“ reicht von kalt und hundsgemein bis hin zu warm und einlullend

Aber ganz von vorn. Stellt euch, werte Leser, eine Weiterführung der progressiven Ausprägungen und Stimmung von „Where Owls Know My Name“ vor, mit zusätzlichen Einflüssen, die sich vom Metal mittlerweile ziemlich abgewendet haben, aber immer noch eine nachdenkliche, desolate Grundstimmung erzeugen. Das konnte man bei der ersten Single „Clean“ mit dem ausschweifendem Synthie-Zwischenpart und vermehrtem Cleangesang-Einsatz ja schon in Ansätzen vernehmen. Denn heuer gehen RIVERS OF NIHIL eher die Richtung, die auch aktuelle Bands wie ARCHITECTS, LEPROUS, BLACK CROWN INITIATE und ähnliche Kapellen bereits gegangen sind: Eingänglicher, stellenweise poppiger, experimenteller, sich oft vom „puren“ Metal loslösend. Stimmen von Ausverkauf werden da schnell laut, aber die stilistischen Genregrenzen werden diesen ganzen Bands doch zu eng wie es scheint, der Geist sehnt sich mehr nach künstlerischem Ausleben und nicht nach dem Bedienen der Erwartungshaltung irgendwelcher Fans. Genregrenzen sind 2021 endgültig vollkommen bei RIVERS OF NIHIL gefallen, es wird genutzt, was notwendig ist für einen guten Song.

Nicht falsch verstehen, der Metal ist hier nicht komplett hinten übergefallen, die überaus düsteren Attacken in „Dreaming Black Clockwork“ und auch Blast-Biest „MORE?“ zeugen noch davon. Aber das Bedienen von Death-Metal-Tugenden ist für RIVERS OF NIHIL mittlerweile weitaus weniger wichtig geworden und wird mehr als Stimmungs- und Kontrapunkt in den Songs gesetzt. Denn Stimmung, Atmosphäre, die Geschichte die mit dem einzelnen Song an sich erzählt wird, steht mittlerweile hundertprozentig im Vordergrund. „Wait“ und „Maybe One Day“ sind eigentlich astreiner Pop-Rock. Wärme und einlullende perlende Synthies wie auch Pianos und clean gespielte Gitarren wechseln sich mit entfremdeten und kargen Soundlandschaften ab, sei es über die tonnenschweren Riffs oder mittels sogar abrasiver Elektronika gekennzeichnet. Auch Field Recordings oder hintergründige mehrstimmige Gesänge lassen sich als Farbtupfer in den Songs ausmachen, die vor allem dem Ein- und Ausleiten und Verbinden der einzelnen Tracks untereinander dienen.

RIVERS OF NIHIL bringen das Kunststück zustande, gleichzeitig komplexer und eingängiger geworden zu sein

Das ganze ist auf den ersten Hör und auch weiteren folgenden Runden erst einmal schwer verdaulich. „The Work“ ist noch komplexer und sperriger als „Where Owls Know My Name“ geraten, aber nach einigen Umdrehungen tut es nun das, was der Vorgänger nur bedingt zu leisten vermochte: Es erzählt eine Geschichte, die thematisch verbunden ist und über das ganze Album trägt. Dabei schaffen RIVERS OF NIHIL es auch noch (nach einer gewissen Einhörphase), gleichzeitig eingängig und abwechslungsreich zu sein, einfaches mit anspruchsvollem Songwriting zu verbinden, je nachdem, wonach der Song gerade verlangt. Und diese Ungezwungenheit bei gleichzeitiger Kohärenz auf „The Work“ ist es, was RIVERS OF NIHIL endgültig in den Olymp der modernen Metalbands hebt: Keine zweite Band klingt heutzutage wie RIVERS OF NIHIL, auch wenn durchaus Parallelen und Gemeinsamkeiten, wie oben schon erwähnt, auszumachen sind.

Eine neue Messlatte im Genre?

Im Rahmen der Vorfreude auf den Abschluss des Albenzyklus scherzten Fans (Rezensent mit eingeschlossen), dass das Winteralbum aber dann auch bitte Black Metal-Einflüsse haben sollte. Und selbst diese haben RIVERS OF NIHIL, zumindest kurzfristig, in den Abschluss und den bislang ausschweifendsten und wohl auch besten Teil der „Terrestria“-Reihe gepackt: „Terrestria IV: Work“ setzt noch einmal einen famosen Abschlusspunkt, der zwischen dem kalten Beton ins Gesicht und emotionaleren Passagen aufzeigt, wo RIVERS OF NIHIL mittlerweile künstlerisch stehen. Das ist ganz oben, ohne Augenklappe, mit Weitblick und Verve. Angesichts weiterer starker moderner Metalbands die dieses Jahr bereits veröffentlicht haben oder dieses noch tun haben RIVERS OF NIHIL noch Konkurrenz, und somit ist die Suggestivfrage im Zwischentitel vielleicht noch ein wenig verfrüht und anmaßend. Aber „The Work“ wird mit Sicherheit für die Band sowohl ein neues Kapitel aufschlagen als auch am Ende diesen Jahres auf so mancher AOTY-Liste auftauchen. Ganz starke Scheibe!

 

17.09.2021
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