Rush - Clockwork Angels

Review

Es gibt Leute die behaupten, man könne RUSH nicht mit menschlichen Maßstäben messen. Das ist natürlich übertrieben, aber immerhin spielt das kanadische Trio in seiner ganz eigenen Liga. Die primäre Frage, die man sich bei einer Neuveröffentlichung aus dem Hause RUSH stellt, ist die, in welche Richtung die drei Herren mit ihrem neuen Werk gehen. “Clockwork Angels” heißt das neue Album der Prog-Rocker und reiht sich nahtlos in die Riege der Klassikeralben von RUSH ein und ist zudem härter als die letzten Alben ausgefallen.

Es ist schon beängstigend, mit welcher Präzision die Kanadier einen Volltreffer nach dem anderen veröffentlichen. Nach dem sehr starken, aber kopflastigen “Snakes & Arrows” habe ich – so viel Blasphemie sei erlaubt – kurz überlegt, ob nicht auch RUSH einmal ein nicht ganz so starkes Album veröffentlichen würden. Immerhin haben fast alle großen Bands im Laufe ihrer Karriere mindestens eine Scheibe auf die Öffentlichkeit los gelassen, die nur durchschnittlich war. Fast alle. RUSH nicht.
“Clockwork Angels” bietet dem Hörer abermals progressive Rockmusik in ihrer besten Form. Dabei schaffen es RUSH auf der einen Seite zeitgemäße Elemente in ihren Sound einzubauen, um diese auf der andern Seite mit einem Brückenschlag zurück zu ihren Wurzeln in den Siebzigern zu verbinden. So erinnert das Anfangsriff von “Headlong Flight” entfernt an den Klassiker “Bastille Day” gepaart mit modernem Riffing und auch das abschließende, in epischer Schönheit erstrahlende “The Garden” kann man sich gut auf einer Scheibe aus der Anfangszeit der Band vorstellen. Demgegenüber steht ein schweres Groove-Monster wie “Seven Cities Of Gold”, das durch die sehr hart produzierten Gitarren absolut im Hier und Jetzt beheimatet ist. RUSH haben schon lange (seit “Caress Of Steel”?) nicht mehr so hart geklungen, ohne dabei die typischen Melodien zu vernachlässigen. Härte und Melodie stehen sich auf “Clockwork Angels” ebenbürtig gegenüber und so gehen einem Songs wie der mächtige Titeltrack, “Carnies”, das relaxte “Halo Effect” oder das famose “The Wreckers” nicht mehr so leicht aus dem Kopf und über die musikalischen Fähigkeiten der Band braucht man sich sowieso nicht mehr unterhalten. Geddy Lee ist einer der coolsten Bassisten des Planeten und Alex Lifeson schüttelt sich ein geniales Lick nach dem anderen aus dem Ärmel, dass man wirklich neidisch werden kann. Und Neil Peart? Ja, Neil Peart spielt – wie eigentlich immer – in seiner ganz eigenen Welt, kredenz uns mal wieder teilweise aberwitzige Rhythmen und prägt die Songs auf diese Weise wie kaum ein anderer Drummer.

Ansonsten machen RUSH genau das, was sie auf ihren andern Alben auch immer getan haben. Die Songs gehen durch die Bank ins Ohr, aber um ihre komplette Vielfalt zu ergründen reichen wenige Durchläufe nicht aus. Aber genau das ist der klare Vorteil den RUSH gegenüber so vielen anderen Bands haben. Sie schaffen es immer technischen Anspruch mit Ohrwurmmelodien zu verbinden ohne dabei auf extrem ausufernde Instrumentalpassagen (es sei denn, das ist von der Band so konzipiert, wie zum Beispiel bei “2112”) oder kitschig klebrige Refrains zurück greifen zu müssen. Wenn die Kanadier diese Fähigkeit beibehalten, spielen sie auch weiterhin in ihrer ganz eigenen Liga. “Clockwork Angels” stellt das eindrucksvoll unter Beweis.

07.07.2012
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