Saint Vitus - Live Vol. 2

Review

Bevor es zu Klagen kommt: Es ist weder im Grundgesetz noch nachgelagerten einschlägigen Sammlungen ein Passus zu finden, der es untersagt, SAINT VITUS weniger als die Höchstnote für eines ihrer Werke zu geben. Dies gilt somit auch für „Live Vol. 2“. Moralisch mag dies fragwürdig erscheinen – zugegeben. In einem Rechtsstaat regieren nichtsdestoweniger die Paragraphen.

„Live Vol. 2“ ist eher eine Enttäuschung

So sei es also: „Live Vol. 2“ ist alles in allem eher eine Enttäuschung. Geboten wird der 2012er-Auftritt im Luxemburgischen Esch-sur-Alzette, roh und – positiv gedeutet – unverfälscht. Da SAINT VITUS eingedenk ihrer ursprünglichen Verbundenheit mit SST und der relativen Nähe zum Punk immer eher die straighten Rocker mit trockenem Sound (und trockener Kehle) waren, muss dies auch nicht prinzipiell der falsche Ansatz sein. Niemand erwartet im Angesicht von Chandler und Weinrich elegische Schwelgereien und glasklare 1000-Spur-Aufnahmen. Wenn man jedoch zuhause auf den Knien erwartungsvoll dem Gebotenen lauscht und das Gefühl nicht los wird, gleichsam einem mit punktuellem Jubel angereicherten Rehearsal zuhören zu können, dann ist das schon etwas wenig.
Die Songs selbst können natürlich alles. Und das gilt sowohl für die Klassiker von „White Stallions“ (!) über „Patra (Petra)“ (!!) und „Dying Inside“ (!!!) bis zu „Born Too Late“ (!!!!) als auch die drei damals neuen Stücke von „Lillie: F-65“. Der Sound ist allerdings nicht voluminös genug, Dave Chandlers Soli gleiten zu oft ins Quietsch-Nirvana und nennenswerte Variationen oder Ansagen gibt es kaum.

Und doch: SAINT VITUS bleiben unantastbar

Das erste, durchaus ähnliche Live-Album von 1990, aufgenommen in mighty Gammelsdorf, schneidet im direkten Vergleich besser ab, der offizielle Bootleg „Marbles In The Moshpit“ ohnehin. Wobei: Der hier konservierte frühe Auftritt aus dem Vorprogramm von BLACK FLAG mit Scott Reagers am Mikro liegt der limitierten Mehrfach-Vinyl-Version von „Live Vol. 2“ als Bonus bei. Es existieren also Lösungen aus dem sich ergebenden Dilemma. Denn mag es formal auch erlaubt sein, einer Veröffentlichung von SAINT VITUS in unangemessener Weise verbal zu begegnen – sie nicht käuflich zu erwerben, das stellt selbstredend weiterhin keine Option dar.
Und nun ist es am Gesetzgeber, die oben genannte Gesetzeslücke zu schließen, um ketzerischem Frevel und frevelhafter Ketzerei wie dieser hier in Zukunft die Grundlage zu entziehen. Denn dass SAINT VITUS die beste Band im Doom sind, eventuell gar die beste Band überhaupt, das steht natürlich abseits jeglichen Winkeladvokatentums beziehungsweise plumper Provokation vollkommen außer Frage.

28.09.2016
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