Saor - Origins

Review

Wer sich einmal im Dickicht des höherqualitativen Atmospheric bzw. Folk Black Metal verirrt hat, weiß, dass es einfach geschickte Hände gibt, die es verstehen, packende, malerischer und erhabene Melodien glaubhaft in ein aggressives Klanggewand einzubetten. Das seit 2012 bestehende Projekt SAOR, gegründet von Andy Marshall als dieser sich von FALLOCH trennte und – lt. vorliegender Presseinfo – seine Musik lieber alleine schreiben wollte, ist ziemlich weit vorne mit dabei, wenn es darum geht, atmosphärischen Black Metal und Folk-Elemente zu vereinen und dabei immer wieder diese wunderschönen Klanglandschaften herauf zu beschwören, die an die schottische Wildnis denken lassen.

Von vergessenen Pfaden hin zu den Ursprüngen

Mit „Forgotten Paths“ öffnete der Schotte, dem zuvor mit „Guardians“ möglicherweise sein Magnum Opus gelang, seinen Sound einer breiteren Menge, was nicht jedem seiner Anhänger schmeckte. Es war aber genug SAOR drin, um weiterhin bei der Stange zu halten, möglicherweise sogar genug, um eine ganze Menge neuer Hörer anzuziehen. Das nun vorliegende „Origins“ bringt nun wieder eine entscheidende Änderung im Sound mit sich. Die Songs werden kürzer, epochale Songlängen im zweistelligen Minutenbereich werden gar nicht mehr erzielt. Dazu ist die Produktion ein gutes Stück trockener geworden, während der Härtegrad wieder etwas angezogen worden ist. Vor allem die Gitarren haben ordentlich Fleisch auf den Rippen hinzugewonnen, sodass man möglicherweise mit der Kategorisierung „Black Metal“ ins Hadern kommt.

Fürwahr: „Origins“ klingt passagenweise weit mehr wie ein reines Folk- bzw. Pagan-Metal-Album auch aufgrund stringenterer Songs, in denen deutlich mehr abgeht, zumal Marshalls rauer Gesang ohnehin sehr Growl-lastig ist. Das passt, denn zentrales Thema sind die Pikten und ihre Schlachten. Dazu kommen eine ganze Reihe von Clean-Passagen, meist im Chor skandiert, die mehr an durch zahllose Kämpfe gezeichnete Krieger denn an Druiden, Hexer und dergleichen denken lassen. Das hat bei SAOR zugegeben nie wirklich eine große Rolle gespielt, aber hier wird es besonders deutlich. Dennoch (oder gerade deswegen) ist „Origins“ ein Album geworden, bei dem sich die Hörinvestition lohnt. Man muss sich eben – erneut – auf eine deutliche Veränderung im Sound gefasst machen.

SAOR arbeitet das Eklektische in seinem Sound weiter aus

Eine gewisse Eklektik macht sich im Klangbild Marshalls breit. Diese ist zwar nicht annähernd so ausufernd wie bei – sagen wir: THY CATAFALQUE, geht aber rein strukturell in eine ähnliche Richtung. So jagt das eröffnende „Call Of The Carynx“ nach stimmungsvollem Intro seine Hörer im Schweinsgalopp von einem Motiv zum nächsten und legt dabei gar nicht mal so einen großen Fokus auf Gesang. Das ist zugegeben etwas, was bei SAOR generell eher untergeordnet ist, aber in diesem Song speziell fast wie eine Randnotiz herüberkommt. Und im Gegensatz zu Tamás Kátai regiert bei Marshall eben der schottische Folk, der sich gerne über die neblige Landschaft erhebt und seine Präsenz majestätisch mit Dudelsack und im Kilt bekundet.

„Fallen“ treibt dieses klischeehaft anmutende Bildnis auf die Spitze und wirbelt mit Melodien um sich, die man selbst als Uneingeweihter als „zweifellos schottisch“ einstufen würde. Es klingt fast so, als hätte Marshall bei der Komposition dieses Tracks richtig Spaß am eigenen Erbe gehabt, gerade wenn sich so um die 3:25-Marke triumphal jubilierende Melodien erheben, die sicher jeder Schotte im Kopf abspielt, wenn er mal wieder über das Zersäbeln von Engländern (oder heuer auch Eintracht-Fans) fantasiert. „Beyond The Wall“ gibt sich kraftvoll, kriegerisch und mitunter auch richtig aggressiv. Gerade hier gefallen die Gitarren, die zwischenzeitlich richtig wüst über den Hörer einbrechen.

„Origins“ fordert seine Zeit ein, belohnt aber mit einem weiteren hochqualitativen Release des Schotten

Richtig heavy wird es dann zu Beginn des abschließenden Titeltracks mit diesen markanten, martialischen Rhythmen, die von der Gitarre entsprechend grob untermalt werden. Mittendrin laden dann Synth-Streicher unter dem gleichbleibend martialischen Percussion-Beat zum Verweilen ein, um dann gemeinsam mit den Gitarren für das große Finale noch einmal erhaben und majestätisch aufzustampfen, möglicherweise mit einem kleinen Wink in Richtung „Tears Of A Nation“. Generell gefallen wieder die malerischen Klanglandschaften, welche durch die von Marshall so umsichtig arrangierte Folk-Komponente zeichnet, beispielsweise auch im rasenden Mittelteil von „Aurora“, bei dem sich ein raues und doch wunderschönes Panorama vor des Hörers geistigem Auge auftut.

Alles in allem muss man „Origins“ im Gegensatz zu „Forgotten Paths“ etwas mehr Zeit zum Entfalten geben. Das Album hat bei unsereinem zugegeben zunächst überhaupt nicht gezündet, da es eben auch produktionstechnisch so anders klingt, viel rauer und trockener. Aber nach und nach gewöhnt man sich dran und merkt, wie gut alles aufeinander abgestimmt ist. Die Rauheit ist tatsächlich eine bewusste Entscheidung Marshalls gewesen, der während der Pandemie laut eigener Aussage eine Menge klassischen Metals gehört hat und seine Musik zu den raueren Ursprüngen zurückführen wollte – was sicher auch zu einem gewissen Grade im Albumtitel widergespiegelt wird. Operation geglückt, „Origins“ ist ein weiteres, hochklassiges Album des Schotten und eine weitere Marke schottischen Black/Pagan Metals, die SAOR in der Metal-Landschaft platziert.

28.06.2022

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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