



Auf den schottischen Einzelkämpfer Andy Marshall und sein Kernprojekt SAOR konnte man sich in der Vergangenheit in qualitativer Hinsicht praktisch immer verlassen. Zwischen dem noch sehr urwüchsigen Debüt „Roots“ aus dem Jahr 2013 und dem 22er-Werk „Origins“ liegen doch einige Schritte einer verfeinerten Ausrichtung, obgleich der Nordeuropäer mit seinem letzten Album wieder an der Härteschraube gedreht und die Platte auf kompaktere Art in Richtung der eigenen Wurzeln geführt hat. Nun knüpft an dieser Stelle die sechste Scheibe mit dem Titel „Amidst The Ruins“ an, über die es wie gewohnt einiges zu berichten gibt.
SAOR treten mit breiter Wand auf
Nachdem der Vorgänger mit gut 40 Minuten Spielzeit sicherlich die komprimierteste Platte der kompletten Bandhistorie war, führt man das neue Werk mit beinahe einer Stunde wieder in die üblichen Erzählumfänge. Auf den nur fünf Songs passiert also erneut wieder einiges – Stimmungswechsel können ausreichend vorbereitet und Arrangements entsprechend breit ausgerollt werden. Dies erfolgt wie erwartet mit einem breitwandigen Master von Tony Lindgren, der „Amidst The Ruins“, vom Kinocharakter her, mehr an seine direkten Vorgänger, denn an die Anfänge von SAOR bindet.
Der Opener und Titeltrack präsentiert auch die bereits vorab veröffentlichte Single, die im Kern all das mitbringt, was das sechste Album des Schotten ausmacht. Durch die kernige Produktion und die Ausgestaltung der Songs sind es nicht mehr unbedingt die rauen Landschaften Kaledoniens, die sich beim Hören von „Amidst The Ruins“ vor dem geistigen Auge aufbauen, sondern verstärkt mystische Geschichten mit einer zu ihrer Herkunft tief verwurzelten Verbindung. Durch die vielen Gastmusiker (Violine, Cello, Flöten…) und deren ausschweifenden Einsatz gewinnt das Album ein cineastisches Element, das man so etwa auf „Roots“ oder „Aura“ noch nicht verspüren konnte.
Erzählerischer und cineastischer
So ist auch ein klarer Spannungsbogen zu erkennen, der schließlich im letzten Song „Rebirth“ gipfelt. Dieser beginnt mit harsch treibenden Riffs und entwickelt sich zu einem hoffnungsvollen, lichterfüllten Track, dem Neusängerin Ella Zlotos einen mindestens versöhnlichen Charakter verleiht. Davor erzählen SAOR gleichsam von der Schönheit der Natur wie auch vom Kampf dieser Strukturen mit der schnelllebigen Gleichgültigkeit der Moderne. Wenn auch anders als auf den ersten Alben, setzt Marshall diesen Konflikt auf „Amidst The Ruins“ wieder authentisch in ein wirksames Gesamtbild.
Letztlich muss man sich auch auf dem neusten Album des Schotten wieder damit auseinandersetzen, dass SAOR inzwischen mit breiterer Brust und schwereren Geschützen auffahren und damit erzählerischer wirken. Die Kernelemente der Band sind allerdings nach wie vor in deren DNA eingeschweißt, sodass für Fans auch an „Amidst The Ruins“ kein Weg vorbeigehen dürfte.
Kleiner Hinweis an den Verfasser: Als „Machwerk“ bezeichnet man grundsätzlich etwas Minderwertiges in der Kunst. Das passt hier also nicht.
Wieder sehr gutes Album nachdem mich der Vorgänger nicht richtig abholen konnte.