Setherial - Nord ...

Review


Seien wir mal ehrlich. Auch in den Black-Metal-Neunzigern war nicht alles Gold, was glänzt und nicht alles schwarz, was den Anschein wagte, dunkel zu sein. Während die erste Hälfte der Dekade von künftigen Klassikern geradezu überschwemmt wurde, entwickelte sich die zweite Hälfte der Neunziger größtenteils zu einer Persiflage auf das Genre, die von billigen, aber inflationär eingesetzten Synthies, gruseligem Operngesang und einer allgemeinen Mittelmäßigkeit begleitet wurde. Die Schweden SETHERIAL könnte man ebenfalls als zweitklassigen Abklatsch der schwedischen Prominenz um MARDUK und DARK FUNERAL kategorisieren, würde man nur ihre späteren Alben kennen. Doch wurde auf den ersten beiden Alben und vor allem auf dem Debüt “Nord …” noch Black Metal gezockt, der abseits der (wieder mal ziemlich schlechten) Peter-Tägtgren-Produktion gar nicht so schwedisch klingt …

Die frühen SETHERIAL: Wenig originell und doch ein Kleinod

… sondern selbstverständlich nach den Vorreitern aus Norwegen. Und um nicht lange um den heißen Brei respektive den kalten Schnee zu reden: Im Grunde waren SETHERIAL auf “Nord …” ein (nahezu) reiner Klon des EMPEROR-Debüts “In The Nightside Eclipse” inklusive Keyboardteppich. Das ist aber weder etwas Schlechtes noch etwas Verwerfliches, war die ’94er-Langrille des Telemark-Quartetts doch ebenso erstklassig wie revolutionär. Die gelegentlichen Einschübe durch Akustikgitarren und verstärkt gesetzten Akzente zu hymnischer Melodieführung verleihen “Nord …” immerhin minimale Dosen Eigenständigkeit, wie bereits der zwölfminütige Opener “In The Still Of A Northern Fullmoon” belegt.

Apropos: Der SETHERIAL-Erstling nimmt auch innerhalb der eigenen Diskografie eine Sonderstellung ein. Neben dem Opener überschreitet zudem “Över Det Blodtäckta Nord” die Zehn-Minuten-Grenze deutlich. Auf allen späteren Alben zeigten sich SETHERIAL deutlich weniger episch. Außerdem sind die Texte aller fünf Stücke nach dem Opener auf Schwedisch verfasst und widmen sich überwiegend der genretypischen Naturmystik und -romantik. Das ist ein in der Geschichte der Band ebenso einmaliger Umstand, waren schließlich alle späteren Lyrics stets auf Englisch gehalten und behandelten den Leibhaftigen und sein Höllenreich.

Die Produktion von “Nord … ” ist leider schlecht gealtert

Dass sich die Schweden sozusagen noch in der Findungsphase befanden, tat ihnen aber auch gut. “Nord … ” strotzt vor der abgrundtiefen Besessenheit junger Musiker, die kaum alt genug waren, um sich im Heimatland legal ’nen Kasten Bier in den Proberaum zu stellen. Schaut man sich das Backcover an, sieht man insbesondere Gitarrist Devothan sein jugendliches Alter unter dem Corpsepaint an. Abgesehen davon ist das Songwriting, wie bereits erwähnt, nicht originell, aber über die gesamte Spielzeit hinweg schlicht großartig und mitreißend. Egal, ob es die erwähnten Epen oder das packende Schlussdoppel “För Dem Mitt Blod” und “I Skuggors Dunkla Sken” sind – unter den 45 Minuten findet sich keine einzige langweilige.

Leider ist Anno 2022 nicht mehr ganz nachvollziehbar, warum es ab 1996 solch einen Ansturm auf die Abyss-Studios von HYPOCRISY-Gitarrist Peter Tägtgren gab. Ähnlich wie bei den gleichaltrigen Produktionen für MARDUK oder ENSLAVED sind viel zu viele tiefe Frequenzen ausgelöscht, an allen Ecken zischt und surrt es, die Drums sind zu leise und das Gesamtbild ist für Black Metal einfach zu steril. Klar, damals verstand man das unter einer adäquaten Umsetzung der “klirrenden Kälte” des Nordens. Schlecht gealtert sind die Produktionen trotzdem und sie verschlechtern sich, je besser beziehungsweise moderner die Anlage oder Soundkarte ist. Hier müsste man eigentlich noch mal völlig neu mischen …

Die geschätzte zweite Reihe …

Wie bei so vielen Alben des Genres kann man sich den Sound aber durchaus schönhören, zumal er erfreulicherweise nicht über die Klasse der Kompositionen trügt. “Nord …” ist ein Album aus der zweiten Reihe, das eine überraschende Langzeitwirkung aufweist und wenn nicht durch Originalität, so wenigstens durch Individualität überzeugt. Wer die späteren Werke von SETHERIAL nicht besonders schätzt, sollte zumindest dem ersten Album eine zweite Chance geben.

23.03.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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