Filmkritik - Skunk

Review

„Skunk“ ist der neue Film des belgischen Regisseurs Koen Mortier, den Cineasten vor allem durch sein Musikerdrama „Ex Drummer“ (2007) kennen. Der Film läuft im Rahmen des Fantasy Filmfest 2024 deutschlandweit in mehreren Kinos. Wir waren für Euch bei der ersten Vorstellung im Berliner Zoo Palast. Weitere Vorstellungen gibt es hier:

15.09. Hamburg
15.09. München
15.09. Nürnberg
15.09. Stuttgart
20.09. Frankfurt
20.09. Köln

„Skunk“ ist kein Film für die Masse

Mortier ist bekannt für seinen radikalen und schonungslosen Blick auf menschliche Abgründe, weswegen eine Warnung vorweg sinnvoll ist. Der Film behandelt sexuelle Gewalt, Kindesmissbrauch, Suizid und explizite physische Gewalt. „Skunk“ basiert auf dem gleichnamigen Roman des Kinderpsychiaters Geert Taghon, das wahre Missbrauchsfälle an Kindern thematisiert.

Wer mit diesen Themen nicht umgehen kann, sollte einen großen Bogen um „Skunk“ machen. Mortier scheut nicht davor, sie in vollem Umfang darzustellen. Daher hat der Film eine Altersfreigabe ab 18 Jahren erhalten.

Ist „Skunk“ ein Metal-Film?

Warum wir von metal.de über diesen Film berichten? „Skunk“ entstand in enger Zusammenarbeit mit der belgischen Blackened-Doom-Metal-Band AMENRA, die den Soundtrack komponiert hat. Zudem spielt AMENRAs Frontmann Colin H. Van Eeckhout eine zentrale Rolle.

Das Leiden des Jungen Liam

Zusammengefasst behandelt „Skunk“ die Leidensgeschichte des Teenagers Liam (Thibaud Dooms), der als Sohn eines Junkie-Paares aufwächst. Seine Eltern – im Film Pa (Colin H. Van Eeckhout) und Ma (Sarah Vandeursen) genannt – machen Liams Leben jeden Tag zur Hölle. Mutter und Vater verprügeln ihren Sohn ohne Grund bis zur Besinnungslosigkeit oder sperren ihn im Keller ein.

Eines Tages befreien belgische Behörden Liam aus seinem Elternhaus und er landet in einem Heim für schwer erziehbare Kinder. Doch eine Erlösung von seinem Leiden erfährt er hier nicht. Stattdessen wird er wiederholt Opfer von Gewalt und Mobbing durch seinen Mitschüler Mo (Soufian Farih).

Pädagogin Pauline (Natali Broods) versucht vergeblich zu Liam durchzudringen, sodass er mit seinen inneren Dämonen abschließen kann. Doch Liam ist in einer Spirale aus Angst, Trauma und unkontrollierbaren Wutausbrüchen gefangen. Dass seine Eltern immer wieder versuchen, ihn zurückzuholen, vereinfacht seinen Heilungsprozess nicht.

Bild Skunk Still 2

Thibaud Dooms als Liam (li.) und Soufian Farih als Mo (re.)

„Skunk“ – schonungslos und fast real

Koen Mortier lässt den Zuschauern über 105 Minuten keinen Moment zum Durchatmen. Im Vergleich zu anderen Filmen, die sich mit diesen Themen beschäftigen, gibt es hier nur wenige positive Momente. Denn „Skunk“ stellt Szenen physischer und psychischer Gewalt ohne Beschönigungen explizit und detailgetreu dar. Die Kameraführung und Ausleuchtung erzeugen in jeder Szene einen dokumentarischen Effekt, intensiviert durch die starke Leistung der Hauptdarsteller.

Vor allem Jungschauspieler Thibaud Dooms ist in seiner Darstellung des Leids und der unbändigen Wut stark und gleichzeitig zerbrechlich. Er erinnert damit an Aleksey Kravchenko aus dem russischen Antikriegsfilm „Geh Und Sieh“ (1985). Der sich mit dem gleichen Thema befassende Film „Systemsprenger“ (2019) wirkt dagegen wie ein Kinderfilm. AMENRAs Eeckhout liefert als Pa eine überzeugende Leistung ab, die in seiner Rohheit und Gewalt extrem angsteinflößend ist. Man mag fast gar nicht glauben, dass es sich bei „Skunk“ um seine erste Rolle in einem Spielfilm handelt.

Bild Skunk Still 1

AMENRA-Fronter Colin H. Van Eeckhout in „Skunk“

AMENRA und „Skunk“

Wer bei den Worten AMENRA, Soundtrack und Gewalt im Film an krachende Doom-Wände denkt, liegt falsch. Musikalisch haben sich AMENRA für die Filmmusik an ihren Alben „Alive“ und „De Doorn“ orientiert, auf denen die Belgier zwischen Akustik und Ambient wechseln. Mortier hat für „Skunk“ auf einen vollständigen Soundtrack für den gesamten Film verzichtet – nur wenige Szenen haben eine musikalische Untermalung. Der gesamte Soundtrack umfasst nur sieben Lieder mit 23 Minuten Spielzeit.

Stattdessen verwendet er die Songs von AMENRA in wichtigen Schlüsselszenen und betont so deren Relevanz für Liams psychische Entwicklung. Erinnert er sich an schmerzvolle Momente mit seinen Eltern, ist die Musik düster und beklemmend. Erfährt Liam positive Momente während seiner Therapie, spielen AMENRA hellere Töne, die ein Gefühl der inneren Glückseligkeit erzeugen, ohne dabei an Schwere einzubüßen.

AMENRAs Soundtrack kommt dabei fast durchgehend ohne Gesang aus. Lediglich in „Song To The Siren“ hört man Eeckhouts klare Stimme. Als musikalisches Highlight des gesamten Films vermittelt das Stück einer wichtigen und äußerst brutalen Schlüsselszene noch mehr Tiefgang. Nur für eine Szene setzte Mortier nicht auf AMENRA. Um einen Fortschritt bei Liam zu erreichen, spielt Pauline ihm die Arie „Vissi D’Arte“ aus der Oper „Tosca“ vor. Darin fragt die Protagonistin Gott, warum sie immer wieder gestraft wird. Dank Dooms schauspielerischer Kraft und der Intensität der Musik erfährt der Film hier seine unvergesslichste Szene.

Nur für AMENRA-Fans?

Dem Belgier Koen Mortier ist mit „Skunk“ ein eindrucksvoller und äußerst bedrückender Film über Kindesmissbrauch gelungen, der den Zuschauer lange nicht loslässt. Durch den fast dokumentarischen Stil, die Leistung von Thibaud Dooms und Colin H. Van Eeckhout sowie den beklemmenden Soundtrack von AMENRA ist man über die gesamte Spielzeit hinweg gebannt und zutiefst mitgenommen und erschüttert. „Skunk“ ist kein Film für schwache Nerven und damit nicht für die breite Masse. Dennoch lohnt es sich, „Skunk“ anzusehen – nicht nur als Metal-Fan.

11.09.2024

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