Strapping Young Lad - Alien

Review

Erinnert Ihr Euch noch an die Newsmeldung, die besagte, dass US-Soldaten Kriegsgefangene mit METALLICA-Klängen gefoltert haben sollen? Irgendwie musste ich an diese Schlagzeile denken, als ich das neue, mittlerweile vierte STRAPPING YOUNG LAD-Album „Alien“ gehört habe. Verdammt, die eingeknasteten Taliban-Kämpfer und sonstigen Staatsfeinde Nr. 1 der USA sollten verdammt froh sein, dass ihre ungeübten Ohren „nur“ mit Hetfield, Ulrich und Co. malträtiert worden sind. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn sie den neuen Wahnsinnsausbrüchen eines Herrn Townsend hätten lauschen müssen. Wahrscheinlich wäre von ihnen direkt um den finalen Kopfschuss gebeten worden. Oder sie hätten ihren Peinigern die Köpfe samt Wirbelsäule aus dem Torso gerissen.

Für ein an Harmonie gewohntes Gehör mag die Musik dieses kanadischen Quartetts wohl wirklich nicht mehr als fürchterlichen Lärm darstellen. Alle Jünger des „verrückten Professors“ dürfen aber auch anno 2005 wieder andächtig in die Knie sinken, denn auf „Alien“ fahren SYL einmal mehr die volle Bandbreite ihres spektrenreichen Könnens auf. Hyperschnelle Chaos-Eruptionen (z.B. „Skeksis“, „We Ride“) treffen auf Höchstmelodisches (z.B. „Love?“), das SOILWORK trotz ihres wieder gesteigerten Härtegrad immer noch als Weichspüler-Pussies dastehen lässt. Und mittendrin eröffnet sich auf einmal eine Oase der Ruhe („Two Weeks“), wie sie besinnlicher und relaxter nicht hätte sein können.

Ganz zu schweigen von den einzelnen Leistungen der beteiligten Musiker. Hervorzuheben sind, wie nicht anders zu erwarten, das Drum-Monster Gene Hoglan (vergesst jeden, wirklich jeden anderen Schlagzeuger!) und Mastermind Devin Townsend himself. Besonders seine gesangliche Leistung, die von fiesem Kreischen über semi-klare Hymnenhaftigkeit bis hin zur cleanen Zuckersüße alles beinhaltet, nötigt einem einen gehörigen Batzen Respekt ab.

„Alien“ ist Chaos und Raserei in Perfektion, die trotzdem Strukturmerkmale besitzt, an denen sich das Gemüt festhalten und gleichzeitig abstoßen soll, um dann wieder in sie hineinzugleiten und sich an ihnen letztendlich aufzureiben. Klar, dass diese Scheibe nicht beim ersten Mal ihr vom Wahnsinn zerfressenes Gesicht zeigt. Nein, die Kunst des Psychopatenmörders ist es, erst dann zuzuschlagen, wenn keiner mehr damit rechnet. Oder wie Townsend es selbst sagt: „Ungesunde Musik für gesunde Gemüter.“

„Alien“ ist musikalisches Kampfgas, eine aufs zentrale Nervensystem wirkende Biowaffe und demnach absolut waffenscheinpflichtig. Minderungen in der Gefahrenstufe verursacht einzig das abschließende, zwölfminütige „Geräusch“ „Info Dump“. Ansonsten hört einfach auf den Professor: „Das Album handelt von nichts Speziellem – es ist einfach nur mal Ausrasten.“
War es jetzt also vorteilhaft, dass die GIs nur METALLICA als Folterinstrument eingesetzt haben? Ich möchte diesen Gedanken nicht zu Ende denken…

17.03.2005
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