Summoning - Oath Bound

Review

Wenn es sich nicht gerade um GUNS ‚N ROSES handelt, ist eigentlich jede Pause zwischen zwei Alben von mehr als 5 Jahren gleichbedeutend mit dem Szenetod für eine Band. Schnelllebig, wie der Musikgeschmack dieser Tage zumeist ist, kommen und gehen Trends und mit ihnen Horden von Musikern, die wenig später anderswo wieder auftauchen. SUMMONING dürfte all das wenig interessieren. Nach 13 Jahren Bandgeschichte, sieben CD-Veröffentlichungen, darunter unsterblichen Alben wie „Minas Morgul“ und „Dol Guldur“, ohne jemals ein einziges Konzert gespielt oder ein lautes Mundwerk nötig gehabt zu haben, sind die beiden Wiener im Black Metal das geworden, was man so gerne „Kult“ nennt. Anerkennung bekommen sie von allen Seiten und aus allen Genres, von beinharten Extremmetallern bis zu Prophecy-Kuschelliebhabern, von RPG-Profis und Literaturwissenschaftlern. So stilsichere Musiker, die sich ohnehin von allem was nach „Szene“ riecht am liebsten abkapseln, können sich 5 Jahre Pause durchaus erlauben, freiwillig oder unfreiwillig.
Nach dem zwar guten, aber keinesfalls wirklich beeindruckenden „Let mortal heroes sing your fame“-Album und der grauenvollen „Lost Tales“-Mini, die ich eigentlich nicht gerne zur offiziellen Diskographie zähle, richten sich nun alle Ohren gespannt auf „Oath bound“. Rückkehr zur alten Glorie oder Standardwerk, Anlass zu großen Emotionen oder laues Lüftchen? Die Antwort ist vollkommen eindeutig und fällt sogar für meine Verhältnisse überraschend klar aus: „Oath bound“ klingt wie der eigentliche Nachfolger zu „Dol Guldur“ und entpuppt sich als unerwartet große Steigerung gegenüber „Stronghold“ und vor allem „Let mortal heroes sing your fame.“ Über fast 70 Minuten Spielzeit hinweg lassen sich die beiden Visionäre fast unverschämt viel Zeit mit ihren 8 Stücken und bauen ihre fantastischen, bedrohlichen, verträumten Melodien so behutsam auf wie schon lange nicht mehr. Die Arrangements, von den verschwommenen Gitarren über die unverkennbar heroischen, erhabenen Synthesizer bis zu den rituellen, maschinellen, oft marschartigen Percussions sind typisch, unverkennbar und vielleicht mehr denn je SUMMONING. Jedes Lied schwimmt in einer Aura der Weltentrückung, wie es nur „Minas Morgul“ und eben „Dol Guldur“ taten, und jedes trägt einen eigenen Stempel. Herausragend sind das komplett in der Sprache Mordors gesungene „Mirdautas Vras“ mit seinen bösartig geifernden Ork-Marschsamples, der Opener „Across the streaming tide“ (das sehr an „Elfstone“ erinnert), das wundervolle „Menegroth“ und vor allem der letzte Track, das Mammutstück „Land of the dead“, in dem die auf dem letzten Album eingeführten steinerweichenden Chöre auf eine Elegie sondergleichen treffen. Mindestens die Hälfte des Albums reiht sich damit in so unsterblich schöne Lieder wie „Elfstone“, „Marching homewards“ oder „The passing of the grey company“ ein – und das heißt einiges. Die übrigen 4 Stücke tragen dazu bei, dass „Oath bound“ das seit 10 Jahren erste SUMMONING-Album ist, das eine durchgehende Spannung aufbauen kann und durchläuft, ohne dass man den Eindruck von Füllwerk bekommt.
Interessant ist übrigens, dass die Gitarren mittlerweile eine sehr viel gewichtigere Rolle als bisher einnehmen und mit ihren Melodielinien, auf ganz untypische Art und Weise gespielt, auch einmal ein ganzes Stück (wie „Might and glory“) alleine tragen können. SUMMONING haben es geschafft, nach so vielen Alben, nach so langer Zeit und unter sicher nicht unerheblichem Druck mit „Oath bound“ ein Werk aufzunehmen, das Altes und Neues vereint und Schönes verdichtet. So viel Feingefühl hat seit Jahren niemand mehr bewiesen. Mehr kann man nicht wollen.

06.03.2006
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