Textures - Silhouettes

Review

TEXTURES stehen seit 2003 für den vermeintlichen Widerspruch, Spielarten des extremen Metals mit hemmungslosem Pathos zu kombinieren. Man mag es ja kaum glauben, wenn man darüber nachdenkt. Aber die niederländischen Nachbarn haben genug Hitpotential im Blut, um damit sogar ein vernachlässigtes Stiefkind wie Metal ins Pop-Pantheon zu hieven. Nach großen Erfolgen und zahllosen Ritterschlägen in der Heimat, konnten sie sich spätestens mit ihrem letzten Album „Drawing Circles“ auch hierzulande einen Namen machen. „Silhouettes“ ist die dritte LP der Band und klanglich und kompositorisch die mit Abstand gelungenste.

Die vollständige Entkopplung von den Genrecodes des Metal, stringentes Riffing und die berauschenden Kompositionsstrukturen zwischen Zerbrechlichkeit und Massivität, Harmonie und Dissonanz zählen zu den elementarsten Merkmalen in TEXTURES’ Musik. Ungezwungen verschmelzen sie Musikkulturen, in denen sie sich zuhause fühlen, die aber bislang unvereinbar erschienen, und lassen die verbindenden Schweißnähte zwischen ihnen verschwinden, als ob sie schon immer zusammen gehörten, wie die, na ja, die, ihr wisst schon.

Das musikalische Fundament mit Konzentration auf konstant rhythmische Figuren und die unmittelbare Dauerpräsenz des Gesangs, bietet die perfekte Folie für Eric Kalsbeeks variantenreiche Stimme, die zwischen markigen Shouts, gefühlvollen Intonationen und epischen Klagegesängen changiert. Ein ausgeprägter Sinn für Dramaturgie und eine Vorliebe für fesselnde Spannungsbögen kann da schon mal zu feinsinnigen, wattebauschenen Pop-Einschüben führen. Erlösend ist dann der Moment, wenn die Verzerrer angeschmissen werden und die sich eben noch zärtlich umrankenden Gitarren plötzlich ihre rostigen Sägezähne ausfahren und sich durch einen von einer Doublebass flankierten Wall fräsen. „Silhouettes“ ist ein klingendes Panoptikum. Ein packendes Metal-Album, bei dem an Einzelheiten keine falsche Sparsamkeit an den Tag gelegt worden ist.

Für die einleitenden, hart geschnittenen Riffs – mit Ecken und Zacken – in „Old Days Born Anew“, „Laments Of An Icarus“ und „One Eye For A Thousand“ sollten sie eigentlich Geld an MESHUGGAH überweisen. Klar, die ewigen Vergleiche, derer auch ich mir nicht zu schade bin, werden die Sechs sicher noch eine Zeit lang verfolgen, das Potential damit umzugehen steckt aber bereits in sämtlichen Songs auf „Silhouettes“. Zum altbekannten Spiel des treibenden Stakkatos gesellen sich ausreichend eigene Stimmungen und Songformate hinzu, als dass man hier von einem Klon sprechen müsste. TEXTURES sind deutlich mehr an melodiösen Spielereien interessiert, an klaren und fast schon freundlichen Harmonien, die gut die Hälfte der Stücke durchziehen; während dagegen die Schweden in ganz anderen Untiefen fischen, zutiefst jenseits, ihrer irren Höllenvision folgend.

Für einen Eintrag in der Liste der aktuell bedeutsamen Metalentwürfe zwischen Underground und Mainstream reicht das mehr als dicke – wozu auch die Produktion von Gitarrist und Co-Sänger Jochem Jacobs beiträgt. Mehr noch: Mit ihrem Drittwerk haben TEXTURES nach ihren superben Vorgängern endlich mal wieder einen Diamanten in die Krone des europäischen Metals gesetzt.

22.04.2008
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