Trollfest - Brakebein

Review

TROLLFEST haben, schätze ich, irgendwo in einer Höhle im hohen Norden eine Glaskugel gefunden, die die Zukunft von Hollywood zeigt, wenn man sie nur schräg genug anschaut. In dieser Kugel haben sie vor etwa einem Jahr Fetzen aus dem zweiten Teil des Blockbusters „Fluch der Karibik“ erblickt und sich sodann daran gemacht, diese unzusammenhängenden Szenen zu vertonen und in ein Konzeptalbum umzuarbeiten. Auf „Brakebein“ ist der Protagonist allerdings kein tuntiger Piratenkapitän, sondern ein alter, hässlicher, langbärtiger und durstiger Troll eben jenen Namens. Gesucht wird keine „Truhe des Todes“, sondern stilecht das „Legendarisk Öl“, ein sagenumwobenes Bier, mit dem die Trollbande um Brakebein sich schrecklich zu besaufen beabsichtigt. Von diesen unerheblichen Unterschieden abgesehen kommt eigentlich alles vor, was zu einer zünftigen Piratengeschichte dazugehört: vom Entern eines Schiffes über den Angriff einer riesigen Seeschlange (die die Trolle kurzerhand zerlegen und auf einem großen „Essenfest“ verspeisen) bis zum Aufspüren eines Pygmäenstammes auf einer einsamen Insel, deren Angehörige die Trolle mit Rauchwaren verführen wollen. Zwischendurch spürt die schräge Truppe aus dem Trollskog ein paar Christen in einem Wald auf („*Sniff* *Sniff* Ahhhh, Kristenmanns Blod…“) und grillt sie über offenem Feuer. Oder sie trifft auf ihre Segelreise Thor Heyerdahl auf einem Floß, der herzergreifend um Gnade fleht („Nein spar mich ich weiss nicht“). Die komplette Geschichte ist einzigartig cool im Comicstil illustriert und im Booklet nachzulesen.
Soweit die zweifellos brüllkomische Story des Albums. Wie es Alben meist so an sich haben, gibt es allerdings auch noch eine musikalische Seite. Im Vergleich zu ihrem Erstling „Willkommen Folk til drekka Fest“, der noch sehr eng an FINNTROLL angelehnt war, ist „Brakebein“ eine extrem bunte Mischung aller möglichen Stile, von Grindcore über Deathmetal, Folkrock mit Black-Metal-Vocals bis zu reiner Kneipenschunkelei mit Akkordeonuntermalung. Düster ist die Platte an keiner Stelle, ganz im Gegenteil oft sogar überzogen, albern und übermütig, mit ihren witzigen Percussion- oder Flötendetails und dem Mitgröhlgesang. Die Vielfalt und Geschichtenerzählerei hat allerdings auch dazu geführt, dass „Brakebein“ eher Soundtrackcharakter hat und als komplettes Album schwierig zu hören ist. Dafür wirkt es zu zerstückelt und nicht homogen genug. Obwohl alle zwölf Stücke (für eine Dreiviertelstunde schon eine Menge) im Prinzip auf Schlagzeug und Gitarre basieren, unterscheiden sie sich in ihrem Charakter mitunter doch sehr. Neben wirklich eingängigen Liedern wie „Legendarisk Öl“, „Brakebein“, „Den Apne Sjö“, „Das Meerungeheuer“ oder „Inni den grotte“ gibt es auch einige, die man mehr oder weniger überhört. Was „Brakebein“ zum ganz großen Wurf fehlt, könnte diese fehlende Eingängigkeit über Albumlänge sein.
Zusammengenommen sind TROLLFEST trotzdem eine wirklich einzigartige Band, die schon mit dem zweiten Album echte Trademarks ausgebildet hat (geniale Mischung aus Norwegisch, unbeholfenen Deutsch und diversen anderen Versatzstücken zum Beispiel) und der man den Spaß an ihrer Musik, so wie vielen Skandinaviern, auch anhört. Dazu ist „Brakebein“ äußerst ausgewogen und druckvoll produziert, in ein extrem schickes Digipack verpackt und insgesamt, wenn man offen genug für spaßigen Metal jenseits aller Grenzen ist, den Kauf in jedem Fall wert.

07.08.2006
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