Turmion Kätilöt - Pirun Nyrkki

Review

Deutschland ist Papst, Italien ist Weltmeister und Finnland ist Schlager – doch nicht alle finnischen Produkte sind solche Exportschlager (ha, welch‘ geniales Wortspiel!) wie die Grandprixgewinner LORDI, selbst wenn sie im Heimatland schwer angesagt sind und sich in den Spitzen der Charts tummeln.
Die Rede ist von TURMION KÄTILÖT, frei übersetzt den „Hebammen des Verderbens“, welche im wesentlichen aus MC Raaka Pee (voc) und DJ Vastapallo (git) bestehen. Verstärkt werden zwei Durchgeknallten von Spellgoth (voc), Master Bates (bass), Run-Q (key) und DQ (drums). „Pirun Nyrkki“ ist das bereits dritte Album der seit 2003 umtriebigen Finnen. Rein optisch haben sie ein bißchen was von MARILYN MANSON, hinzu kommt schrille SM-Ästhetik in obskurem Gewand. Akustisch fahren sie aber eine andere Schiene, die man am gröbsten wohl als Symbiose aus Electro- und Industrial Metal bezeichnen können.

Das heißt: Haufenweise fette Beats, hartes Gitarrengeschrammel und äußerst eingängige Songs mit mächtig Groove. Spontaner Bewegungsdrang ist hier ein schon fast unbewußter Reflex, der einem beim Hören der energiegeladenen Geschosse überkommt. Ein bißchen klingt es wie THE KOVENANT zu „Animatronic“-Zeiten oder auch DOPE STARS Inc., ein bißchen mehr nach RAMMSTEIN, gerade die Arbeit an den Gitarren. Im Gegensatz zu THE KOVENANT sind die Finnen jedoch viel electrolastiger, und im Vergleich zu RAMMSTEIN sehen die deutschen Schmalspurindustriellen sehr blaß aus, da TURMION KÄTILÖT vielseitiger und frischer zu Werke gehen.
„Pirun Nyrrki“ bietet Songs wie den auch als Single ausgekoppelten Titeltrack, der sehr heftig und gitarrenlastig nach vorne prescht und echtes Hitpotenzial vorweisen kann. Bei dem Gespür für packende Melodien und abwechslungsreiche Arrangements, welches die Finnen allein in diesem Song zeigen, ist es kein Wunder, dass sie in den Charts landen. Neben solchen eindeutig metallischen Stücken gibt es dann Songs wie „MTV / DNA“ und „Härka“, bei denen ganz klar der elektronische Hintergrund der zwei Masterminds durchschimmert. Clubtaugliche Technorhythmen, Breakbeats, Distortion und dominante Synths lassen die hier lediglich als Rhythmusverstärker degradierten Gitarren als Beiwerk erscheinen. Tja, und dann gibt es noch die Songs, die einen Mittelweg zwischen diesen beiden Polen einschlagen, z.B. gleich zu Beginn der Opener „Mistä veri pakenee“ oder als vorletzter Track „Piiloviestien neitietsivä“, und die Songs perfekt in dieses Gerüst einrahmen.

Gesangstechnisch geht es auch sehr variabel zu. Da wären erst die zwei Männer an den Mikros, deren markante Shouts perfekt zu den vor Energie sprühenden Songs passen, dazu immer wieder kleine Effekte, mit denen die Stimmen verfremdet werden; desweiteren zusätzliche Unterstützung durch Frauenstimmen, mal als Backgroundchor, mal hochgepitcht. Eine weitere (rein subjektive) Offenbarung ist ganz einfach die finnische Sprache, die meines Erachtens wunderbar zu dieser Musik paßt. Englisch klingt zu ausgelutscht, Deutsch einfach nur nerrrrrrrrvig – aber Finnisch, das macht die ganze Sache noch einen Tick interessanter. Ein tolles Album, auch wenn es leider relativ kurz geraten ist. Ich weiß nicht genau woran es liegt, dass TURMION KÄTILÖT hierzulande bislang kaum bekannt sind. Vielleicht ist es fehlende Promotion, vielleicht der spezielle finnische Geschmack, den der Rest Europas eventuell nicht teilt, vielleicht reicht den Finnen aber auch ihr Heimatland. Ich bin jedenfalls überzeugt, dass sie im Rest der Welt durchaus was reißen und auch gegen die RAMMSTEIN-Dominanz anstinken könnten. Eläköön elämä! 😉

20.03.2007
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