Vreid - Lifehunger

Review

Ein bisschen Schwermut war bei VREID schon immer zu spüren. Wahrscheinlich ist das ganz normal bei einer Band, die es ohne den Tod nie gegeben hätte. Anfang des Jahres 2004 erfror WINDIR-Frontmann Valfar während einer Wanderung durch seine norwegische Heimat. Die restlichen Bandmitglieder gründeten VREID, weil sie einfach weitermachen und dadurch diesen tragischen Verlust überwinden wollten.

Es ist meine Passion„, sagt Bassist Hváll heute, vierzehn Jahre später. „Und ich tue alles, um meiner Passion nachgehen zu können“. Da ist es nur passend, dem achten Album den Namen „Lifehunger“ zu geben. Lebenshunger, so scheint es, ist bei VREID immer noch vorhanden, verleiht Energie und Kreativität. Doch der Hunger auf das Leben verzehrt es eben auch, lenkt uns vom Ende ab, bis irgendwann nur noch die Leere des Todes bleibt. Diesen fatalen Zusammenhang zwischen Leben und Tod herauszustellen, gelingt VREID auf „Lifehunger“ auf textlicher Ebene so gut, wie bisher noch nie in ihrer Karriere.

Der „Lifehunger“ führt in den Tod

Dabei sind Stellen wie „The hunger for life reveals / Only death is real“ natürlich keine lyrischen Meisterwerke, drücken diese Erkenntnis aber klar und wirksam aus. Zur Linderung bleiben nur der Rückzug in den – notfalls rein mentalen – menschenleeren Wald („One Hundred Years“), die Hoffnung auf Frühling und Wiedergeburt nach dem Winter („The Dead White“) oder die Flucht in schwarzmagische Rituale („Black Rites in the Black Nights“). Dass der Mensch in seiner Zeit und Beschaffenheit ohnehin nur unvollständiges Wissen erlangen und niemals vollkommene Weisheit erreichen kann, wusste bereits der antike Philosoph Sokrates, dem die Band mit „Sokrates Must Die“ ein kleines Denkmal setzt.

Zur Musik: VREID präsentieren sich auf „Lifehunger“ ausgereifter und vielseitiger denn je. Gerade am Anfang ihrer Karriere schienen die damals noch jungen Musiker immer ein bisschen auf der Suche nach ihrem Sound zu sein. Normaler Black Metal war nicht genug und es sollte bitte auch nicht zu sehr nach WINDIR klingen und ein Schuss Rock ´n Roll musste auch noch rein. Das Ergebnis waren vereinzelt richtig gute Songs, aber nur selten durchgehend gute Alben.

Der Vorgänger „Sólverv“ wirkte hingegen mehr wie aus einem Guss, war aber auch sehr sperrig. Die Songs waren etwas aufgeblasen und litten zudem unter einem völlig drucklosen Sound. Das musikalische Können der Band ging deswegen leider etwas unter. Mit „Lifehunger“ ist dies zum Glück anders. VREID ist ein ausgereiftes Album gelungen, das immer noch unverkennbar nach der Band klingt, aber auch frischen Wind ins Songwriting bringt. Der klare und druckvolle Sound trägt seinen Teil dazu bei.

VREID haben sich weiterentwickelt

Die Band weiterhin auf den Begriff Black ´n Roll zu reduzieren, greift hier zu kurz. Zumindest der Autor dieser Zeilen hat dabei eher schwungvolle und unkomplizierte Party-Songs im Kopf. VREID hingegen sind auf „Lifehunger“ sehr experimentierfreudig und verbauen auf dem Album verschiedene Einflüsse. Klar, manche Black-Metal-Riffs klingen so, als hätten sie SATYRICON schon vor Jahren verwendet. Andere Parts erinnern an ENSLAVED, ein rockiger Song mit schrägen Keyboard-Tönen wie „Hello Darkness“ an SOLEFALD. Für diesen Song übernahm übrigens SÓLSTAFIR-Frontmann Addi den Gesang, was ihn zusätzlich vom Rest des Albums abhebt. Dennoch fügt er sich weiterhin bestens in das Gesamtalbum ein, sowohl musikalisch als auch lyrisch.

„Lifehunger“ ist ein sehr erwachsenes Album geworden, das genau zum richtigen Zeitpunkt veröffentlicht wird, um den Herbst zu begrüßen. Am Tag ist es noch warm, doch die Nächte werden bereits bitter kalt. Noch wollen wir nach draußen, haben Hunger auf das schwindende Leben, werden aber bald von der Realität des Winters eingeholt. Wahrscheinlich haben wir „Lifehunger“ dann auch schon wieder ein Stück weit vergessen und sind beim nächsten Langspieler angelangt, der uns auf andere Gedanken bringt, vom unvermeidlichen Ende ablenkt. Falls wir uns dessen aber wieder einmal bewusst werden wollen, wartet „Lifehunger“ auf uns – ein Album, das mit jedem Durchgang wächst.

24.09.2018
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