Whitechapel - Our Endless War

Review

Kaum eine Band macht ähnlich große Entwicklungen von Platte zu Platte durch, wie WHITECHAPEL. Mit dem aktuellen Album „Our Endless War“ erreicht die Deathcore-Band aus Tennessee ihren vorläufigen Höhepunkt – Weiterentwicklung für kommende Alben natürlich nicht ausgeschlossen. Noch nie hatten WHITECHAPEL die Tempo-Zügel derart sicher in den Händen, und noch niemals gab es auf einem WHITECHAPEL-Album so viele packende Melodien und Hooks. Phil Bozeman thront mit seinem wüsten Sangesorgan über den Kompositionen und verleiht den Songs – ganz ohne übertriebene Breakdowns und mit teilweise sehr langsamem, zermürbenden Tempo – eine unvergleichliche Durchschlagskraft.

Nach einem stimmungsvollen Intro bringen WHITECHAPEL mit dem Titelsong „Our Endless War“ die Abrissbirne in Bewegung. Immer wieder passend von post-apokalyptischem Gitarrenwehklagen durchzogen, liefern die Amerikaner eine stilvolle, brutale Gewaltorgie, die ihresgleichen sucht. „Worship the Digital Age“ rechnet mit der digitalen, gläserenen Präsenz jedes einzelnen ab (…verkauf‘ deine Seele und huldige dem digitalen Zeitalter…) und generell zeigen sich WHITECHAPEL textlich sehr viel konkreter und bissiger („Let Me Burn“). Vergessen sind die wirren Songstrukturen vom Debüt, die Truppe hat stark aufgeholt und beweist mittlerweile ein sehr gutes Gespür für Lieder, die einerseits gut in Ohr gehen, grooven wie Hölle und andererseits nichts an Brachialität und Wichtigkeit einbüßen. „Psychopathy“ zeigt nachdrücklich, dass WHITECHAPEL mittlerweile ebenfalls wissen, wie man mit einfachen Mittel eine unangenehme, abstoßende Atmosphäre erzeugen kann und die flache, spröde Soundqualität trägt letztendlich maßgeblich dazu bei. „Our Endless War“ kommt ganz ohne fette Explosionen aus, seltsamerweise nimmt dies der Platte aber kaum Druck. „Diggs Road“ legt Wurzel frei und zeigt, von wo der Deathcore stammt und mit entsprechendem Gesang, könnte der Song sogar von einer führenden Metalcoreband stammen, die sich dem üblichen „harsch-soft-Gesang-Schema“ bedient. Noch dazu findet sich hier das beste Gitarrensolo, dass WHITECHAPEL wohl jemals auf einer Platte zum Besten gab. Der Rausschmeisser stellt somit gleichzeitig das Highlight der Platte und ein Highlight der Bandgeschichte von WHITECHAPEL dar. Bemerkenswert ist auch die Schlagzeug-Arbeit von Ben Harclerode, der sich eben auch abseits von Doublebass und purem Geknüppel beweisen kann.

WHITECHAPEL verlassen sich also nicht auf Schnelligkeit oder muskelzeigende, verzwackte Songstrukturen. Vielmehr hat die Band gelernt, wie man Songs schreibt und sich von den langweiligen, immer wieder gehörten Strukturen deutlich distanziert. Zwangsläufig kommen die Stärken der Band dadurch besser zum Ausdruck. Die liegen übrigens ganz sicher nicht in der Kategorie Gitarrensolo, dafür aber diesmal im Songaufbau und generell im Gesang von Phil Bozemann und hinter den Kesseln. Hasser des verqueren Debüts sollten mal ein Ohr riskieren, wie sich WHITECHAPEL gemausert haben, Fans der Band, werden begeistert sein und glückselig im klaustrophobischen Sound baden. „Das Tor zu Hölle steht heute Abend sehr weit offen…“ – treten Sie ein!

17.04.2014
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