Winterfylleth - The Reckoning Dawn

Review

WINTERFYLLETH als verlässliche, englische Bank: Seit Gründung 2007 wurden konstant im 2-Jahres-Rhythmus Alben veröffentlicht, alle auf gutklassigem Niveau, die den weitläufigen, episch angelegten Black-Metal mit britischen Folkeinflüssen ein wenig aufpeppen. Im Fahrwasser von solchen Kollegen wie PRIMORDIAL (von Chris Fielding, der bei diesen schon Knöpfchen drehte, ist übrigens auch „The Reckoning Dawn“ produziert – organisch und dennoch transparent) oder auch SAOR, die beide ein wenig spezieller zu Werke gehen, aber ebenfalls musikalisch und textlich ihre jeweilige Heimat historisch und kulturell bedienen, ist es mit der Authentizität und dem „sich treu bleiben“ so eine Sache in der Musik:

Wo WINTERFYLLETH drauf steht, steckt WINTERFYLLETH drin

Man will ja weder Gefahr laufen, innerhalb der Karriere zehn mal dasselbe Album heraus zu bringen (Es sei denn man heisst BOLT THROWER oder CANNIBAL CORPSE), ohne dass die Fans Ermüdungserscheinungen zeigen, andererseits auch für eine gewisse Verlässlichkeit stehen und unumstößlich wie eine (englische) Eiche sein, mit Wiedererkennungswert behaftet. WINTERFYLLETH haben diesen Spagat bislang ziemlich gut gemeistert, denn im Grunde weiß man auch bei „The Reckoning Dawn“ schon, was man bekommt. Die Zutaten sind bekannt, der Koch auch. Es sind eher die kleinen Veränderungen, kleine Nuancen (oder das Nichtvorhandensein jener), die dann den Daumen mehr nach oben oder unten auszucken lassen.

Und da soll gesagt sein, dass „The Reckoning Dawn“ zwar nicht viel anders macht als die Vorgänger, aber die Art, wie WINTERFYLLETH die Songs angehen, hier ein wenig im Detail geändert wurde und dank dieser wahrscheinlich nun das beste Material seit „The Mercian Sphere“ vorliegt. Ob harsch nach vorne gehend, spirituell oder naturromantisch, unterstützt durch orchestrale Epik, WINTERFYLLETH verstehen es, den grundsoliden Black Metal mit ihrer ganz eigenen Note zu bereichern, ohne zu sehr vom eigentlichen Pfad abzuweichen.

Nach dem kompletten Akustik-Waldgang auf dem Vorgänger „The Hallowing of Heirdom“ ist auffällig, wie sehr der Metal wieder Einzug gefunden hat. Einstieg „Misdeeds of Faith“ ist etwa schon nach kurzem Schlagzeugfill verhältnismäßig rabiat unterwegs.

„The Reckoning Dawn“ gibt sich verspielter in Details, behält aber die Marschrichtung bei

Auch in Bezug auf Songtitel scheint es eine Rückschau zum Zweitwerk  von WINTERFYLLETH zu geben: „A Hostile Fate“ ist mit dem Untertitel „The Wayfarer Pt.4“ beschmückt und lässt wahrscheinlich so textlich (es liegen mir keine Texte vor) zurück zu den vorigen drei Teilen von „The Mercian Sphere“ blicken. Musikalisch gibt es hier sowohl wieder die im Midtempo verorteten Black-Metal-Klanglandschaften, aber auch durchaus einige hoffnungsvoll aufspielende Leads, vor allem im Schlussteil, der mit männlichen Chorälen unterlegt so etwas wie Siegestrunkenheit nach der Schlacht statt der sonst immerwährenden Trostlosigkeit bei WINTERFYLLETH hinterlässt.

„Absolved in Fire“ startet akustisch-orchestralisch und baut sich langsam auf, ehe man die ersten frostigen Tremolo-Riffs auspackt. Aber auch zum Ende des Songs hin kommt noch einmal Abwechslung in Form von Breitwandriffing beinahe in Richtung Death Metal ein wenig Groove hinzu und abermals läutet das Finale mit emotionalen Leads und Männer-Klargesang aus. Dies sorgt für sehr schöne Spannungsbögen, die sich sehr viel besser machen als vielleicht so mancher doch eher spannungsarme und langatmige Song in der Karriere auf vorigen Platten. Definitives Albumhighlight!

Das bislang stärkste WINTERFYLLETH-Album?

Das Verhältnis von Repetition zu Ausbruch ist ein delikates, das gerade im Black Metal, wo Atmosphäre vor allem anderen hochgehalten wird, oftmals überschritten wird für meine Verhältnisse, in Richtung von zu viel Repetition.  Andere Fans mögen das eher als Stärke ansehen, Musik für mich lebt aber durch Kontraste und derer gibt es auf „The Reckoning Dawn“ mehr und noch besser platziert als auf den Vorgängern. Ironischerweise geht gerade der Titelsong noch am ehesten in die Richtung der eher auf Repetition und langgezogenen Melodiebögen ausgelegten Art Songs, die WINTERFYLLETH eigentlich in Reinkultur zaubern.

Trotz vielleicht einem Rückfall hinter den Rest des Albums immer noch starkes Material. Auch die übrigen Songs können sich sehen lassen. „A Greatness Undone“ trumpft mit orchestralen Parts aus der Konserve und kurzen, cleanen Verschnaufpausen zwischen dem sonstigen Midtempo-Black-Metal auf, bleibt aber doch hinter dem restlichen Material von „The Reckoning Dawn“ zurück.  Durch die insgesamt abwechslungsreicheren Songs fliesst „The Reckoning Dawn“ ein klein wenig besser durch als vorige Alben bei einer Stunde Spielzeit, ohne allerdings vielleicht die Stringenz der Vorgänger zu besitzen, da sich hier tatsächlich mehr auf den Song an sich als auf eine durchgängige (musikalische) Geschichte konzentriert wird.

Nach einem kleinen Durchhänger in der Mitte nimmt das Ende nämlich noch einmal Fahrt auf. „Betwixt two Crowns“ als kurzes Akustikintermezzo trennt die zwei letzten Songs ab, bevor „Yielding the March Law“ wieder klagende, langgezogene Riffs, die auch in so mancher skandinavischen Kapelle nicht fehl am Platz wären, emotional mit erneut aufkommenden Männerchören mischt und seine Ankunft mit knappen sechs Minuten auch nicht übermässig strapaziert. „In Darkness Begotten“ ist dann wieder eher die puristische Seite von WINTERFYLLETH und bietet einen langen Song im Midtempo mit minimaler Riffvariation und eher hintergründigen Melodien, ehe im letzten Drittel dann wieder die träumerische Seite (Akustikklampfe, Violine, emotionalere Leads, Männerchoräle) einsetzt und gelungen entlässt.

Alle mit Liebe für folkgetränkten, weitläufigen Midtempo-Black Metal, Fans von FEN, PANOPTICON, PRIMORDIAL, SAOR und weiteren naturverorteten Vertretern im Black Metal sollten „The Reckoning Dawn“ definitiv antesten.

06.05.2020
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