Xandria - Neverworld's End

Review

Dass sich Bands stilistisch von anderen inspirieren lassen oder auch mal ein wenig kopieren, ist nichts Ungewöhnliches und häufig sogar willkommen, vor allem dann, wenn das Original nicht mehr existiert. So war es beispielsweise bei THULCANDRA, die DISSECTIONs Stil nachmachten und deshalb zwar etwas belächelt wurden, für viele jedoch die Leere füllten, die das Original hinterlassen hatte. Im Falle von XANDRIA ist es ganz genauso, nur dass es das Original eigentlich noch gibt, jedoch nicht mehr in alter Form: NIGHTWISH. Und dass hier nicht bloß der Stil der Band imitiert, sondern tatsächlich eine vollständige Kopie geschaffen wurde, die dem Original in allen Bestandteilen so zum Verwechseln ähnlich ist, dass man es einfach kaum glauben kann.

Das beginnt beim ausladenden Aufbau der Songs, geht über das mitreißende, epische Riffing, die beeindruckenden orchestralen Arrangements, über zahlreiche Details, wie die punktuell eingesetzten Chöre oder eine dezente, sanfte zweite Stimme zur Untermalung bestimmter Parts, bis hin zum Gesang der neuen Sängerin Manuela Kraller, die in Sachen Stimmumfang, Klangfarbe und Stimmeinsatz tatsächlich fast haargenau wie Tarja Turunen klingt. Und zwar, ohne zu übertreiben, SO haargenau wie sie, dass NIGHTWISH Frau Kraller problemlos hätten engagieren können, hätte Tarja fürs Studio mal keine Lust oder Zeit gehabt, ohne dass es jemandem aufgefallen wäre. Und genauso hätte Tuomas Holopainen XANDRIAs Marco Heubaum bitten können, ihm ein paar Songs zu schreiben, wenn es ihm einmal an der nötigen Kreativität gefehlt hätte, auch das wäre mit Sicherheit nicht bemerkt worden.

Diese extreme Ähnlichkeit führt allerdings auch dazu, dass sich XANDRIA nicht nur stilistisch, sondern auch qualitativ mit den früheren NIGHTWISH vergleichen lassen müssen. Und dies ist der einzige Punkt, in dem die Bielefelder nicht 100%ig mit dem Original mithalten können, jedoch zumindest 85%ig. Bei zahlreichen Tracks brauchen sich XANDRIA nämlich keinesfalls hinter dem Original zu verstecken, so z.B. bei “A Prophecy Of Worlds To Fall”, “Valentine” (das an “Wishmaster” erinnert), “Cursed”, „Blood On My Hands“ oder “The Nomad’s Crown”. Leider können die Bielefelder diese Qualität nicht ganz durchgängig halten, selten schleicht sich etwas Füllmaterial ein, weshalb “Neverworld’s End” haarscharf an den 9 Punkten vorbei schrammt. Diese Momente bleiben jedoch glücklicherweise die absolute Ausnahme.

NIGHTWISH mögen mit Anette Olzon hinterm Mikro nicht zwingend schlecht geworden sein, doch zumindest ich kann mit der Band seitdem nichts mehr anfangen und damit stehe ich mit Sicherheit nicht allein. Doch wenn NIGHTWISH eben nicht mehr die NIGHTWISH sind, die ich vor vielen Jahren kennen und lieben gelernt habe, kann ich sie jetzt glücklicherweise endgültig abschreiben. Es gibt ja XANDRIA!

14.02.2012
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